Steuerrechtsurteile

Neuregelung der Wegzugsteuer ist verfassungsgemäß



Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit der im Jahr 2006 rückwirkend neu geregelten Wegzugsteuer mit dem Gemeinschafts- und Verfassungsrecht. Die Steuer wird zwar weiter erhoben, aber zinslos gestundet, so dass eine tatsächliche Belastung (zunächst) nicht eintritt. Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot, da es dem Gesetzgeber möglich sein muss, rückwirkend einen gemeinschaftsrechtswidrigen Zustand zu beseitigen.

Der Sachverhalt:
Die Antragsteller sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie verlegten Ende 2004 (Streitjahr) ihren Wohnsitz von Deutschland nach Portugal. Der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt jeweils zu über 50 Prozent an zwei GmbH beteiligt. Im Frühjahr 2005 verkaufte er die Anteile.

Das Finanzamt besteuerte den Verkehrswert der Anteile im Wegzugszeitpunkt nach Maßgabe von § 6 Abs.1 AStG a.F. in Verbindung mit den §§ 6 Abs.5, 21 Abs.13 S.2 AStG in der Fassung der Änderungen des SEStEG vom 07.12.2006 (n.F.). Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machten die Antragsteller geltend, dass die Wegzugsteuer gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit verstoße. Im vorliegenden Verfahren beantragten sie die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids


Das FG gab dem Antrag statt. Auf die Beschwerde des Finanzamts hob der BFH diese Entscheidung auf und lehnte den Antrag ab.


Die Gründe:
Die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids ist nicht bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, da kein ernstlichen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen.


Zwar war die Wegzugsteuer gemäß § 6 Abs.1 AStG a.F. möglicherweise nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Denn hiernach wurde bei Personen, die aus Deutschland weggezogen sind, der im Zeitpunkt des Wegzugs noch nicht realisierte Wertzuwachs aus einer Beteiligung an einer deutschen Kapitalgesellschaft besteuert. Diese Regelung ist unter Umständen geeignet, Personen von einem Wegzug in einen anderen EU-Mitgliedstaat abzuhalten und damit die Niederlassungsfreiheit zu beschränken.


Der deutsche Gesetzgeber hat dieses Problem aber erkannt und § 6 Abs.1 AStG a.F. durch das SEStEG für den Fall des Wegzugs innerhalb der EU um eine Reihe von Vorschriften ergänzt, insbesondere um § 6 Abs.5 S.1 bis 3 AStG n.F. Danach bleibt es zwar bei der Festsetzung der Steuer beim Wegzug; die Steuer wird jedoch bei Wegzug in einen anderen EU-Mitgliedstaat - im Grundsatz zeitlich unbegrenzt - zinslos gestundet. Diese ergänzende Regelung ist gemäß § 21 Abs.13 S.2 AStG n.F. auf alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen und damit auch auf den Streitfall anzuwenden.


Die Neuregelung hat zur Folge, dass die Wegzugsteuer zwar festgesetzt wird, aber (zunächst) keine tatsächliche Belastung eintritt. Sie genügt damit nach allgemeiner Ansicht den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen. Es liegt auch kein Fall einer verfassungswidrigen Rückwirkung vor. Denn der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung einen bestehenden Gemeinschaftsrechtsverstoß rückwirkend geheilt. Daher ist ein etwaiges Vertrauen der Antragsteller in die ursprüngliche (gemeinschaftsrechtswidrige) Rechtslage nicht schutzwürdig.


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.11.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-11-04)