Steuerrechtsurteile

Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten unterliegt keiner Pflicht zur "Steuerentstrickung"



Die so genannte Theorie der finalen Entnahme betrifft die Pflicht eines Unternehmens, die in einem Wirtschaftsgut angesammelten stillen Reserven sofort aufzudecken, wenn dieses Wirtschaftsgut aus dem Inland in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird. Eine derartige Pflicht hat der BFH nun verneint.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie gehörte im Streitjahr 1995 zur Unternehmensgruppe X. Im Jahr 1991 hatte die Klägerin sämtliche Anteile an der X-Inc., einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA, in ihr inländisches Betriebsvermögen überführt. Im Zuge einer Neuordnung der Auslandsaktivitäten der Unternehmensgruppe X übernahm die Klägerin Anfang Dezember 1995 sämtliche Kommanditanteile an der Ö-KG, mit Sitz in Österreich. Noch im gleichen Monat vereinbarten die Klägerin und die Ö-KG die Übertragung der Anteile an der X-Inc. gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.

Die Klägerin behandelte die Übertragung der Anteile an der X-Inc. auf die Ö-KG in Übereinstimmung mit dem Finanzamt einkommensteuerrechtlich als Entnahme. Sie bezog den Entnahmegewinn allerdings nicht in die Gewinnermittlung ein, sondern bildete außerhalb der Bilanz einen passiven Ausgleichsposten in entsprechender Höhe. Sie begründete dies damit, dass der Entnahmegewinn nicht im Zeitpunkt der Übertragung der Anteile auf die Ö-KG, sondern erst im Zeitpunkt einer künftigen Realisierung der stillen Reserven der Beteiligung durch die Ö-KG zu versteuern sei.


Das Finanzamt rechnete den Entnahmegewinn demgegenüber im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu und ermittelte zudem einen erheblich höheren Gewinnbetrag.


Die hiergegen gerichtete Klage wies das FG per Zwischenurteil ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage überwiegend statt.


Die Gründe:
Die Klägerin durfte ihre Beteiligung an der US-amerikanischen X-Inc. "steuerneutral" als Sacheinlage in die österreichische Ö-KG einbringen.


In der Zeit vor Einfügung des § 6 Abs.5 EStG im Jahr 1999 bestand die Möglichkeit einer steuerneutralen Einbringung einzelner Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen als Sacheinlage in eine Personengesellschaft, soweit die Besteuerung der stillen Reserven im Inland sichergestellt war. Das Erfordernis der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven hatte die ältere BFH-Rechtsprechung zur Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte allerdings als eine die Besteuerung auslösende Entnahme behandelt, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) von der Besteuerung im Inland freigestellt waren.


Diese Rechtsprechung, die im neueren steuerrechtlichen Schrifttum nahezu einhellig als überholt angesehen wird, hat der BFH jetzt aufgeben. Eine Freistellung der ausländischen Betriebsstättengewinne durch ein DBA beeinträchtigt nach heutiger Erkenntnis nicht die spätere Möglichkeit einer Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven des überführten Wirtschaftsguts, wenn sich diese - beispielsweise durch eine Veräußerung - tatsächlich realisieren. Für eine sofortige Besteuerung fehlte es deshalb sowohl an einer Rechtsgrundlage als auch an einem Bedürfnis.


Mit § 4 Abs.1 S.3 EStG wurde zwischenzeitlich aber ein so genannter Entstrickungsparagraf in das Gesetz eingefügt, der darauf abzielt, die bislang fehlende Rechtsgrundlage für die so genannte Theorie der finalen Entnahme zu schaffen. Die neue Regelungslage wirkt vom Veranlagungszeitraum 2006 an.


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.10.2008, Quelle: BFH PM Nr.95 vom 08.10.2008


(Meldung vom 2008-10-09)