Steuerrechtsurteile

Nicht anspruchsberechtigte Ausländer erhalten bei zu Unrecht ausgestellten deutschen Ausweispapieren kein Kindergeld



Ausländer, die vergeblich die Anerkennung als Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit begehren, haben auch für solche Zeiten keinen Anspruch auf Kindergeld gemäß § 62 Abs.1 EStG, in denen sie zu Unrecht im Besitz deutscher Ausweispapiere sind. Gleiches gilt für die Zeit mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 69 Abs.3 AuslG 1990 und einer so genannten Fiktionsbescheinigung.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin war 1989 mit ihrer Familie aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ihr wurden noch im selben Jahr deutsche Ausweispapiere ausgestellt. Sie gab an, sie sei deutsche Volkszugehörige, konnte dies in der Folgezeit aber nicht glaubhaft machen. Ein Antrag auf Erteilung eines Vertriebenenausweises wurde rechtskräftig abgelehnt.

Im September 1996 beantragte die Klägerin, die sich inzwischen von ihrem Ehemann getrennt hatte, Kindergeld für die beiden in ihrem Haushalt lebenden Kinder. In dem Antrag gab sie als Staatsangehörigkeit "deutsch" an. Die beklagte Familienkasse gewährte das Kindergeld ab Oktober 1996. Seit dieser Zeit war die Klägerin nichtselbständig beschäftigt.


1997 forderte das Einwohnermeldeamt die Ausweisdokumente zurück. Die Klägerin beantragte daraufhin eine Aufenthaltsgenehmigung und erhielt eine Bescheinigung nach § 69 Abs.3 AuslG 1990, nach der ihr Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt galt. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung gemäß § 173 Abs.1 S.1 Nr.1 AO auf und forderte das gezahlte Kindergeld für den Zeitraum Oktober 1996 bis Januar 1998 zurück.


Die Klägerin war der Ansicht, nach der Neufassung des § 62 Abs.2 EStG ergebe sich für sie, die in den deutschen Arbeitsmarkt integriert gewesen sei, ein Anspruch auf Kindergeld. Auch im Hinblick darauf, dass die Aufnahme Polens in die EU in dem streitigen Zeitraum absehbar gewesen sei, habe von einem Daueraufenthalt ausgegangen werden können. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.


Die Gründe:
Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum Oktober 1996 bis Januar 1998 keinen Anspruch auf Kindergeld gemäß § 62 Abs.1 EStG.


Die Klägerin besaß nicht die deutsche Staatsangehörigkeit und war auch nicht Statusdeutsche im Sinn des Art. 116 Abs.1 Alt.2 GG. Ihre Bemühungen, als Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit anerkannt zu werden, hatten keinen Erfolg. Deshalb war die Klägerin Ausländerin gemäß § 1 Abs.2 AuslG 1990, so dass sich die Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs.2 EStG richtet.


Der Umstand, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum im Besitz deutscher Ausweisdokumente war, führt nicht zu der Annahme, sie sei deshalb kindergeldrechtlich als Deutsche zu behandeln gewesen. Die Klägerin erlangte nicht dadurch die deutsche Staatsangehörigkeit, dass ihr ein deutscher Reisepass und ein deutscher Personalausweis ausgehändigt wurden. Vielmehr wurden die Dokumente zu Unrecht ausgestellt. Folgerichtig wurden Pass und Personalausweis nach § 12 Abs.1 PassG, § 8 PAuswG NW eingezogen.


Der Klägerin steht auch kein Kindergeld gemäß § 62 Abs.2 EStG n.F. zu. Die Neuregelung erfasst zwar gemäß § 52 Abs. 61a S.2 EStG alle Sachverhalte, bei denen - wie im Streitfall - das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist. Die Klägerin hatte für den Zeitraum Oktober 1996 bis Januar 1998 aber keine ausländerrechtliche Genehmigung, die ihr einen Anspruch auf Kindergeld einräumte. Die der Klägerin erteilte Bescheinigung nach § 69 Abs.3 AuslG 1990 ist hierfür nicht ausreichend.


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.07.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-07-29)