Steuerrechtsurteile

Steuerhinterziehung: Verlängerte Festsetzungsfrist gilt nicht für Erstattungsansprüche des Steuerhinterziehers



Steuerhinterzieher können nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist von vier Jahren keinen Anspruch auf Steuererstattung mehr geltend machen. Im Fall der vorsätzlichen Steuerhinterziehung gilt zwar grundsätzlich die verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren. Die Fristverlängerung kommt nach ihrem Sinn und Zweck aber nur dem geschädigten Fiskus zugute, dem über einen längeren Zeitraum die Rückforderung der strafbar vorenthaltenen Steuerbeträge ermöglicht werden soll.

Der Sachverhalt:
Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger hatten im Streitjahr 1997 Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt, die über dem gesetzlicher Sparerfreibetrag von damals 12.200 DM lagen. Ihre Bank hatte zwar von den fälligen Zinsen jeweils die - wie eine Einkommensteuervorauszahlung wirkende - Zinsabschlagsteuer in Höhe von 30 Prozent der Erträge einbehalten und an den Fiskus abgeführt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger jedoch durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens, dass ihre Kapitaleinkünfte weniger als 12.200 DM betragen hätten.

Später fiel den Klägern auf, dass sich die Nichterklärung der Kapitaleinkünfte zu ihren Ungunsten ausgewirkt hatte. Da ihr persönlicher Steuersatz deutlich unter 30 Prozent lag, hätten sie bei wahrheitsgemäßer Angabe der Zinsen in der Steuererklärung mehrere tausend DM vom Finanzamt im Rahmen der Veranlagung zurückerhalten. Sie berichtigten deshalb Ende 2004 ihre Angaben im Rahmen einer Selbstanzeige und verlangten vom Finanzamt die Rückzahlung der zuviel erhobenen Einkommensteuer.


Das Finanzamt lehnte eine Steuererstattung ab, weil die vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Eine Änderung des Steuerbescheids sei deshalb nicht mehr möglich. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machten die Kläger geltend, dass sie eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begangen hätten und deshalb gemäß § 169 Abs.2 S.2 AO die auf zehn Jahre verlängerte Festsetzungsfrist gelten müsse. Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH diese Entscheidung auf und wies die Klage ab.


Die Gründe:
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass im Streitfall die auf zehn Jahre verlängerte Festsetzungsfrist gilt und daher der Einkommensteuerbescheid 1997 noch geändert werden kann. Dabei kann offen bleiben, ob überhaupt eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegt, wenn der Fiskus - wie hier - im Ergebnis nicht geschädigt wurde, weil er die ihm zustehenden Steuerbeträge bereits erhalten hat. Jedenfalls greift die verlängerte Festsetzungsfrist nach ihrem Sinn und Zweck nicht zugunsten des Steuerhinterziehers ein.


Die Fristverlängerung dient dazu, dem durch die Steuerstraftat geschädigten Fiskus auch noch nach Ablauf von vier Jahren die Rückforderung der vorenthaltenen Steuerbeträge zu ermöglichen. Der Steuerunehrliche soll die Rechtswohltat der Verjährung erst nach Ablauf von zehn Jahren in Anspruch nehmen können und bis dahin jederzeit mit einer Steuer-Nachforderung rechnen müssen. Mit diesem Zweck wäre es unvereinbar, wenn die verlängerte Frist auch zugunsten des Steuerpflichtigen angewendet würde. Denn aus der allein maßgeblichen Sicht des Fiskus besteht in einem solchen Fall der “Selbstschädigung“ keinerlei objektives Bedürfnis für eine Fristverlängerung.


Im Übrigen ist die auf zehn Jahre verlängerte Festsetzungsfrist auf eine Schlechterstellung des Steuerhinterziehers im Vergleich zum steuerehrlichen Bürger angelegt. Dieser Zweck würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Steuerhinterzieher zehn Jahre Zeit hätte, um einen Erstattungsanspruch geltend zu machen, während der Steuerehrliche hierfür nur vier Jahre Zeit hätte.


Linkhinweis:



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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.06.2008, Quelle: BFH PM Nr.60 vom 25.06.2008


(Meldung vom 2008-06-25)