Steuerrechtsurteile

Vorlage an den EuGH: Ist die entgeltliche Übertragung von Versicherungsverträgen umsatzsteuerfrei?



Der BFH hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die entgeltliche Übertragung von Versicherungsverträgen (hier: Lebensrückversicherungen) von einer Versicherung auf eine andere nach dem Gemeinschaftsrecht von der Umsatzsteuer befreit ist. Nach Auffassung des BFH liegt insoweit möglicherweise ein umsatzsteuerfreier "Versicherungsumsatz" oder "Rückersicherungsumsatz" im Sinn der Richtlinie 77/388/EWG vor.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Organträgerin der A-AG, einer Versicherung, die unter anderem im Lebensrückversicherungsgeschäft tätig ist. Zum 01.01.2002 übertrug die A-AG im Rahmen eines Bestandsübernahmevertrags 195 Lebensrückversicherungsverträge auf das in der Schweiz ansässige Versicherungsunternehmen B., das derselben Konzerngruppe angehört wie die A-AG. Der Bestandsübernahmevertrag sah unter anderem vor, dass


  • B. für die Bestandsübernahme einen Kaufpreis zu entrichten hatte, durch den sowohl der Ertragswert des gegenwärtigen als auch des zukünftigen Rückversicherungsgeschäfts abgegolten wurde,

  • B. alle Rechte und Pflichten aus den Versicherungsverträgen übernehmen sollte

  • und die A.AG alle zum Stichtag bestehenden Forderungen aus den Versicherungen an B. abtreten musste.

Das Finanzamt sah in der Übertragung der Versicherungsverträge durch die A-AG eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung und erließ einen entsprechenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid. Die hiergegen gerichtete Klage wies das FG ab. Auf die Revision der Klägerin setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die die entgeltliche Übertragung von Lebensrückversicherungsverträgen von einer Versicherung auf eine andere ein nach den Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG von der Umsatzsteuer befreiter Versicherungsumsatz ist.


Die Gründe:
Nach nationalem Recht ist im Streitfall eine Steuerbefreiung ausgeschlossen. Gemäß § 4 Nr.10a UStG sind nur Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses im Sinn des Versicherungsteuergesetzes umsatzsteuerfrei. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die Übertragung eines Lebensrückversicherungsvertrags auf eine andere Versicherung nicht unter das Versicherungsteuergesetz fällt.


Eine Umsatzsteuerbefreiung könnte sich aber aus dem Gemeinschaftsrecht und dabei insbesondere aus Art.9 Abs.2 e) 5.Gedankenstrich, Art.13 B) a) der Richtlinie 77/388/EWG ergeben. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, von der Steuer.


Insoweit stellt sich die Frage, ob der gemeinschaftsrechtliche Begriff des "Versicherungsumsatzes" oder "Rückversicherungsumsatzes" auch die entgeltliche Übertragung von (Rück-)Versicherungsverträgen umfasst. Unter Berücksichtigung der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung ist es zweifelhaft, ob nur Leistungen gegenüber einem Versicherungsnehmer von der Steuer befreit sind oder ob nicht auch die Übertragung eines Bestands an Versicherungsverträgen als Leistung zwischen zwei Versicherungsunternehmen als Versicherungsumsatz steuerfrei sein kann.


Die Vorlagefragen im Volltext:


1. Sind Art.9 Abs.2 e) 5.Gedankenstrich) und Art.13 B) a) und d) Nr.2,3 der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass die gegen einen vom Erwerber zu entrichtenden Kaufpreis erfolgende Übernahme eines Lebensrückversicherungsvertrages, auf dessen Grundlage der Erwerber des Vertrages die durch den bisherigen Versicherer ausgeübte steuerfreie Rückversicherungstätigkeit mit Zustimmung des Versicherungsnehmers übernimmt und nunmehr anstelle des bisherigen Versicherers steuerfreie Rückversicherungsleistungen gegenüber dem Versicherungsnehmer erbringt,



  • a) als Versicherungs- oder Bankumsatz im Sinn von Art.9 Abs.2 e) 5.Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG oder

  • b) als Rückversicherungsumsatz nach Art.13 B) a) der Richtlinie 77/388/EWG oder

  • c) als Umsatz, der im Wesentlichen aus der steuerfreien Übernahme einer Verbindlichkeit einerseits und aus einem steuerfreien Umsatz im Geschäft mit Forderungen andererseits besteht, nach Art.13 B) d) Nr.2,3 der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen ist?

2. Ändert sich die Antwort auf die Frage 1, wenn nicht der Erwerber, sondern der bisherige Versicherer ein Entgelt für die Übertragung entrichtet?

3. Falls die Frage 1 Buchst. a, b und c zu verneinen ist: Ist Art. 13 B) c) der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass



  • die entgeltliche Übertragung von Lebensrückversicherungsverträgen eine Lieferung ist und

  • dass bei Anwendung von Art.13 B) c) der Richtlinie 77/388/EWG nicht danach zu differenzieren ist, ob sich der Ort der von der Steuer befreiten Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Lieferung oder in einem anderen Mitgliedstaat befindet?

Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.06.2008, Quelle: BFH PM Nr.54 vom 11.06.2008


(Meldung vom 2008-06-11)