Steuerrechtsurteile

Gewerbesteuerfreiheit von Selbständigen und Landwirten sowie die Abfärberegelung sind verfassungsgemäß



Die Gewerbesteuerfreiheit von Selbständigen und Landwirten ist verfassungsgemäß. Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs.1 GG, dass nach § 15 Abs.3 Nr.1 EStG ("Abfärberegelung") die gesamten Einkünfte einer Personengesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten und damit der Gewerbesteuer unterliegen, wenn die Gesellschaft auch nur teilweise eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GbR. Sie betreibt seit Juli 1985 eine Goldschmiede und Schmuckgalerie und verkauft sowohl von den beiden Gesellschaftern selbst hergestellten Schmuck als auch Schmuck anderer Hersteller. In den Steuererklärungen für die Jahre 1985 bis 1987 erklärte sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Für das Streitjahr 1988 machte die Klägerin geltend, dass sie wegen des Verkaufs selbsthergestellten Schmucks zum Teil Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit erziele. Sie ermittelte daher Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinn von § 18 EStG in Höhe von 61.181 DM sowie aus Gewerbebetrieb in Höhe von 45.911 DM.

Das Finanzamt verwies jedoch auf Abschnitt 136 Abs.8 S.9 der Einkommensteuerrichtlinien und behandelte alle Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb. Gemäß § 15 Abs.3 Nr.1 EStG („Abfärberegelung“) gelte die mit Einkunftserzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübe. Der Handel mit dem zugekauften Schmuck als gewerblichem Anteil und die künstlerische Tätigkeit seien daher insgesamt als gemischte Tätigkeit und somit als Gewerbebetrieb einzuordnen.

Auf die Klage der Klägerin legte das FG die Sache dem BVerfG zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbeertragsteuer und der Abfärberegelung in § 15 Abs.3 Nr.1 EStG vor. Das BVerfG erklärte beide Regelungen für verfassungsgemäß.


Die Gründe:
Es ist mit Art.3 Abs.1 GG vereinbar, dass nur die Einkünfte der freien Berufe, der sonstigen Selbständigen und der Land- und Forstwirte nicht der Gewerbesteuer unterliegen.


Ebenso verstößt § 15 Abs.3 Nr.1 EstG, wonach die gesamten Einkünfte einer Personengesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten und damit der Gewerbesteuer unterliegen, wenn die Gesellschaft auch nur teilweise eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, nicht gegen Art.3 Abs.1 GG.


Der Gesetzgeber darf auch weiterhin die konventionelle Nichteinbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer beibehalten, da im Gegensatz zu Gewerbetreibenden hinsichtlich des Steuergegenstands und der wesentlichen Besteuerungsmerkmale immer noch tragfähige Unterschiede bestehen. Die im Regelfall akademische oder vergleichbare Qualifikation - als Voraussetzung für die Erlernung und Ausübung eines freien Berufs – lassen bei der gebotenen typisierenden Betrachtung auch heute noch signifikante Unterschiede zwischen freien Berufen und Gewerbetreibenden erkennen.


Die Annäherungen im Berufsbild einer Reihe von freien Berufen auf der einen und von Gewerbetreibenden auf der anderen Seite ändern nichts an der Berechtigung zur typisierenden Einordnung der freien Berufe als im Regelfall weniger personal- und produktionsmittelintensiv.


Ebenso unterscheiden sich Land- und Forstwirte durch das in der Flächengebundenheit ihrer Betriebe zum Ausdruck kommende besondere Gewicht des Produktionsfaktors Boden und die Abhängigkeit ihres Wirtschaftserfolgs von den Wetterbedingungen wesentlich von Gewerbetreibenden. Zudem unterliegen sie einer Sonderbelastung im Bereich der Grundsteuer.


Schließlich reduzieren verschiedene Anrechnungs- oder Kompensationsbestimmungen im Einkommensteuerrecht zur Vermeidung oder Minderung der "Doppelbelastung" der Gewerbebetriebe das Gewicht der Ungleichbehandlung zwischen Gewerbetreibenden und freien Berufen, sonstigen Selbständigen und Land- und Forstwirten.


Die so genannte Abfärberegelung gemäß § 15 Abs.3 Nr.1 EStG ist insofern gerechtfertigt, als sie in erster Linie das Ziel verfolgt, die Ermittlung der Einkünfte gemischt tätiger Personengesellschaften zu vereinfachen, indem sie alle Einkünfte typisierend auf die Einkunftsart gewerblicher Einkünfte konzentriert. Im Fall des Einzelsteuerpflichtigen geht es um die Abgrenzung mehrerer Einkunftsarten bei einem Steuersubjekt. Bei einer Personengesellschaft hingegen ist die Abgrenzung mehrerer Einkunftsarten bei mehreren Steuerpflichtigen erforderlich, die diese zudem noch in unterschiedlicher Intensität verwirklichen können.


Außerdem soll die Regelung verhindern, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden. Die Belastung der Personengesellschaften wird durch die Möglichkeit gemildert, der Abfärberegelung durch gesellschaftsrechtliche Gestaltung auszuweichen, die mit keinen nennenswerten Belastungen oder Risiken verbunden ist.


Linkhinweis:



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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 28.05.2008, Quelle: BVerfG PM Nr.58 vom 28.05.2008


(Meldung vom 2008-05-28)