Steuerrechtsurteile

Verspätete Übermittlung einer Berichtigungsanzeige durch das unzuständige Finanzamt geht zu Lasten des Steuerpflichtigen



Wird eine Berichtigungsanzeige vor Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber einem unzuständigen Finanzamt erstattet und geht sie erst verspätet dem zuständigen Finanzamt zu, bewirkt dies grundsätzlich nicht, dass die dem zuständigen Finanzamt zustehende Jahresfrist gemäß § 171 Abs. 9 AO entfällt oder eingeschränkt wird. Die Frist beginnt in solchen Fällen erst mit dem Tag des Zugangs beim zuständigen Finanzamt. Versäumnisse des unzuständigen Finanzamts gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war bis Ende 1995 bei der Firma X. beschäftigt. Sein Arbeitgeber ist eine Tochtergesellschaft der Firma Y. Der Kläger erwarb von der Muttergesellschaft Aktienoptionsscheine. Diese waren an das Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber gekoppelt. In den Jahren 1993 bis 1996 erzielte der Kläger daraus Einnahmen, die er in den Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre 1994 und 1995 unberücksichtigt ließ.

Das Finanzamt veranlagte den Kläger erklärungsgemäß. Die Einkommensteuerbescheide wurden bestandskräftig.

Im Oktober 1999 klärten die Rechtsanwälte D. im Namen des Arbeitgebers und des Klägers das Betriebsstätten-Finanzamt über die Einräumung der Aktienoptionsrechte auf. Die im Februar 2000 versandte Kontrollmitteilung des Betriebsstätten-Finanzamts über den nicht versteuerten Arbeitslohn des Klägers an das zuständige Finanzamt erreichte dieses jedoch nicht. Erst im Januar 2003 wurde das zuständige Finanzamt über den Sachverhalt informiert.


Das Finanzamt erfasste daraufhin nachträglich die geldwerten Vorteile aus der verbilligten Überlassung von Aktien als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die hiergegen gerichtete Klage, mit der der Kläger den Eintritt der Festsetzungsverjährung geltend machte, hatte vor dem FG keinen Erfolg. Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Entscheidung auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurück.


Die Gründe:
Die geänderten Einkommensteuerbescheide für 1994 und 1995 wurden rechtzeitig erlassen.


Die verbilligte Überlassung von Aktien durch den Arbeitgeber oder die Konzernobergesellschaft stellt einen geldwerten Vorteil im Sinn von § 19 Abs.1 S.1 Nr.1 in Verbindung mit § 8 Abs.1 EStG dar. Dieser Vorteil führt in dem Zeitpunkt zum Lohnzufluss, in dem die Ansprüche aus dem Optionsrecht erfüllt werden. Insofern war der Kläger verpflichtet, für den rechtzeitigen Eingang der Berichtigungsanzeige beim zuständigen Finanzamt zu sorgen.


Bei Übermittlung einer Berichtigungsanzeige im Sinn von § 153 Abs.1 AO vor Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber einem unzuständigen Finanzamt, gilt diese zwar als erstattet. Die Jahresfrist gemäß § 171 Abs. 9 AO beginnt jedoch erst mit dem Tag, an dem die weitergeleitete Anzeige beim zuständigen Finanzamt eingeht. Dafür spricht die in § 153 Abs.1 AO enthaltene eigenständige Verpflichtung des Steuerpflichtigen, das Erforderliche zu veranlassen, damit die auf seiner unzutreffenden Steuererklärung beruhende rechtswidrige Besteuerung nicht fortbesteht.


Deshalb gehen auch Versäumnisse wie die fehlerhafte Übermittlung der Berichtigungsanzeige durch das unzuständige Finanzamt zu Lasten des Steuerpflichtigen. Gleiches gilt für ein etwaiges Verschulden der vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte, das ihm gemäß § 80 Abs. 1 AO zuzurechnen ist.


Das FG muss allerdings weitere Festsstellungen dazu treffen, ob vorliegend die nicht antragsgebundene Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs.3 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung in Betracht kommt.


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.05.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-05-06)