Steuerrechtsurteile

Vorlage an den EuGH: Verstößt Mehrfachbelastung von Bauherren mit Grunderwerb- und Umsatzsteuer gegen das EU-Recht?



Das Niedersächsische FG hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Mehrfachbelastung von Bauherren mit Grunderwerb- und Umsatzsteuer in den Fällen eines einheitlichen Leistungsgegenstands (bestehend aus Bauleistungen sowie den Erwerb des Grund und Bodens) mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Nach Auffassung des FG liegt hierin möglicherweise ein Verstoß gegen das Mehrfachbelastungsverbot aus Art. 401 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten das Bauunternehmen B. Anfang Dezember 2004 mit der Errichtung eines Ein-Familien-Hauses auf einem bestimmten Grundstück zum Preis von 196.544 Euro beauftragt. Einige Wochen später erwarben sie von der Grundstücksgesellschaft G. das Baugrundstück zum Preis von 73.870 Euro. Der Gesellschaftergeschäftsführer von B. ist an G. beteiligt. Außerdem benannte der Bauplan, den G. bei Erwerb dieses und weiterer Grundstücke ausgehändigt bekommen hatte, das Bauunternehmen B.

Das Finanzamt schloss aus dieser personellen Verflechtung der beiden Unternehmen und ihrem Zusammenwirken auf Veräußererseite auf einen einheitlichen Leistungsgegenstand, bestehend aus Bauleistungen sowie den Erwerb des Grund und Bodens. Es bezog daher - entsprechend der einschlägigen BFH-Rechtsprechung - die künftigen Baukosten in die Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage mit ein und setzte die Grunderwerbsteuer auf 9.464 Euro fest (3,5 Prozent aus der Summe von 73.870 Euro und 196.544 Euro).

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, dass die Grunderwerbsteuer nicht die schon mit Umsatzsteuer belasteten Baukosten, sondern nur den Erwerb des Baugrundstücks erfassen dürfe. Das Niedersächsische FG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die in diesen Fällen praktizierte Mehrfachbelastung von Bauherren mit Grunderwerb- und Umsatzsteuer mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.


Die Gründe:
Es ist zweifelhaft, ob die nach der ständigen BFH-Rechtsprechung in Fällen des einheitlichen Leistungsgegenstands gebotene Einbeziehung der Baukosten in die Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage gemeinschaftsrechtswidrig ist. Hierin liegt möglicherweise ein Verstoß gegen das Mehrfachbelastungsverbot des Art. 401 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, wonach umsatzsteuerliche Mehrfachbelastungen zu vermeiden sind.


Die Mehrfachbelastung entsteht in Fällen des einheitlichen Leistungsgegenstands dadurch, dass die Bauleistungen der Umsatzsteuer unterliegen und nach der ständigen Rechtsprechung des BFH gleichzeitig zu einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage und damit der Grunderwerbsteuer führen.


Bei den mit der Grunderwerbsteuer belasteten Bauleistungen handelt es sich zivilrechtlich nicht um einen Grunderwerb. Daher könnte die Grunderwerbsteuer auf Bauleistungen ihrem Charakter nach eine zusätzliche Sonderumsatzsteuer darstellen. Denn die Erhebung der Grunderwerbsteuer in Höhe von 3,5 Prozent wirkt sich in diesen Fällen faktisch wie eine mit der Mehrwertsteuer vergleichbare, sich auf den geschaffenen Mehrwert beziehende allgemeine Abgabe im Bereich der Errichtung von Gebäuden aus.


Die Erhebung der Grunderwerbsteuer auf Bauleistungen kann auch wettbewerbsverzerrend wirken, da steuerlich gut beratende Bauinteressenten möglicherweise Bauunternehmen, die mit dem Grundstücksverkäufer zusammenarbeiten, wegen der drohenden Grunderwerbsteuer-Zusatzbelastungen von vornherein nicht berücksichtigen.


Die Vorlagefrage im Wortlaut:
„Verstößt die Erhebung der deutschen Grunderwerbsteuer auf künftige Bauleistungen durch deren Einbeziehung in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage beim Erwerb eines noch unbebauten Grundstücks (so genannter einheitlicher Leistungsgegenstand bestehend aus Bauleistungen sowie Erwerb des Grund und Bodens) gegen das europäische Umsatzsteuer-Mehrfachbelastungsverbot des Art. 401 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, wenn die grunderwerbsteuerlich belasteten Bauleistungen zugleich als eigenständige Leistungen der deutschen Umsatzsteuer unterliegen?“


Linkhinweis:


Für den auf den Webseiten des Niedersächsischen FG veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.




Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 14.04.2008; Quelle: Niedersächsisches FG PM vom 14.04.2008


(Meldung vom 2008-04-14)