Steuerrechtsurteile

Rechtsprechungsänderung: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind auch bei Verletzung der Nachweispflicht umsatzsteuerfrei



Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs.3 UStG, die Voraussetzungen einer umsatzsteuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung nachzuweisen, ist zwar mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung sind die Nachweispflichten aber keine materiellen, sondern nur formelle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. Daher ist die Steuerbefreiung auch dann zu gewähren, wenn trotz Verletzung der Nachweispflichten feststeht, dass die Voraussetzungen von § 6a Abs.1 UStG 1999 vorliegen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt einen Auto-Handel. Im Streitjahr 2000 verkaufte er einen gebrauchten PKW an ein Unternehmen mit Sitz in Spanien. In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr behandelte er den Verkauf des Fahrzeugs als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

Das Finanzamt folgte dem nicht und behandelte die Lieferung als steuerpflichtigen Umsatz. Dies begründete es damit, dass der Kläger seine Nachweispflichten nicht erfüllt habe. Er habe insbesondere nicht den „wirklichen“ Abnehmer angegeben, weil es sich bei dem spanischen Unternehmer um eine Scheinfirma handele. Hierbei stützte sich das Finanzamt auf eine Auskunft spanischer Behörden. Diese hatten eine Scheinfirma angenommen, weil das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe in Spanien nicht angemeldet hatte.

Die gegen den Umsatzsteuerbescheid gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.


Die Gründe:
Die Lieferung des Fahrzeugs ist als innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr.1b des UStG 1999 steuerfrei. Das gilt unabhängig davon, ob der Kläger seinen Nachweispflichten aus § 6a Abs. 3 UStG 1999 nachgekommen ist.


Nach 6a Abs. 3 UStG 1999 müssen Unternehmer, die einen Gegenstand an einen Unternehmer mit Sitz im übrigen Gemeinschaftsgebiet liefern, die Voraussetzungen einer umsatzsteuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachweisen. Diese Nachweispflicht ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie stellt unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 27.09.2007 (Rs.: C-146/05) allerdings keine materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung dar. Die Vorschriften bestimmen lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat.


Entgegen der früheren Rechtsprechung des Senats kann die Steuerbefreiung daher nicht allein deswegen versagt werden, weil der Unternehmer seine Nachweispflichten nicht vollständig erfüllt hat. Zwar ist weiterhin davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer umsatzsteuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nachkommt. Die Steuerbefreiung ist aber auch ohne die erforderlichen Nachweise zu gewähren, wenn objektiv feststeht, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs.1 UStG) erfüllt sind.


Im Streitfall steht zweifelsfrei fest, dass der streitige Umsatz eine innergemeinschaftliche Lieferung und demnach steuerfrei ist. Es bestehen insbesondere keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers. Soweit die spanischen Behörden das Unternehmen als Scheinfirma ansehen, beruht dies lediglich darauf, dass es seine innergemeinschaftlichen Erwerbe in Deutschland nicht angemeldet hat. Die ordnungsgemäße Erfüllung der Steuererklärungspflichten ist aber keine Voraussetzung der Unternehmereigenschaft.


Der Hintergrund:
Der BFH hatte in zwei weiteren Verfahren über das Vorliegen einer umsatzsteuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung im Autohandel zu entscheiden. In der Rechtssache V R 71/05 war dem Kläger der erforderliche Nachweis nicht gelungen, so dass die Klage keinen Erfolg hatte (Urteil vom 08.11.2007). In der Rechtssache V R 59/03 konnte der Kläger zwar nicht alle Nachweise rechtzeitig vorlegen. Es stand aber zweifelsfrei fest, dass innergemeinschaftliche Lieferungen vorlagen. Die Klage hatte daher vor dem BFH Erfolg (Urteil vom 06.12.2007).


Linkhinweise:


Sämtliche Entscheidungen sind auf den Webseiten des BFH veröffentlicht:



  • Für die Entscheidung in der Rechtssache V R 72/05 klicken Sie bitte hier.

  • Die Entscheidung in der Rechtssache V R 71/05 finden Sie hier

  • und für die Entscheidung in der Rechtssache V R 59/03 klicken Sie bitte hier.

Für das auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte EuGH-Urteil vom 27.09.2007 (Rs.: C-146/05) klicken Sie bitte hier.




Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 02.04.2008; Quelle: BFH PM Nr.36 vom 02.04.2008


(Meldung vom 2008-04-02)