Steuerrechtsurteile

Unternehmensteuerreform 1997: Initiative des Vermittlungsausschusses zur Streichung einer Norm war verfassungswidrig



Die auf Initiative des Vermittlungsausschusses erfolgte Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG 1995 im Rahmen der Unternehmensteuerreform 1997 war formell verfassungswidrig. Denn der Vermittlungsausschuss darf lediglich Änderungsvorschläge erarbeiten und verfügt über kein eigenes Gesetzesinitiativrecht. Die Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG 1995 hat allerdings dennoch Bestand, da der Verfassungsverstoß nicht evident war.

Der Sachverhalt:
Das BVerfG hatte im Rahmen eines vom BFH eingeleiteten Normenkontrollverfahrens über die formelle Verfassungsmäßigkeit der Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG 1995 im Rahmen der Unternehmensteuerreform 1997 zu entscheiden.

Zu der streitigen Gesetzesänderung war es erst gekommen, nachdem der Bundesrat seine Zustimmung zum Gesetzentwurf verweigert und die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss angerufen hatte. Dieser hatte unter anderem die Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG 1995 vorgeschlagen, obwohl eine diesbezügliche Gesetzesänderung bislang weder Bestandteil des Gesetzentwurfs noch Streitpunkt zwischen Bundestag und Bundesrat gewesen war. Bundestag und Bundesrat stimmten dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zu, so dass das Gesetz ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden konnte.

Im Ausgangsverfahren ging es um die steuerrechtliche Beurteilung von Unternehmenskäufen nach dem so genannten Kombinationsmodell. Der Kläger rügte unter anderem die formelle Verfassungswidrigkeit der ersatzlosen Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG 1995. Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob die Streichung der Norm gegen Art. 20 Abs.3 GG und Art. 76 Abs.1 GG verstößt. Das BVerfG bejahte dies, entschied allerdings, dass die Streichung der Norm trotz des Verfassungsverstoßes gültig ist.


Die Gründe:
Die Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG 1995 ist in einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Weise zustande gekommen, bleibt aber gültig.


Der Vermittlungsausschuss hat mit der entsprechenden Beschlussempfehlung seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen überschritten. Er verfügt über kein eigenes Gesetzesinitiativrecht, sondern darf nur tätig werden, wenn er im Rahmen einer Meinungsverschiedenheit zwischen Bundestag und Bundesrat angerufen wird. Dabei darf er lediglich solche Änderungen, Ergänzungen oder Streichungen vorschlagen, die sich im Rahmen des Anrufungsbegehrens und des Gesetzgebungsverfahrens bewegen.


Nach diesen Grundsätzen hat der Vermittlungsausschuss mit seinem Vorschlag zur Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG 1995 seine Kompetenzen überschritten. Denn er hat die Streichung der Vorschrift in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt, ohne dass diese oder eine thematisch verwandte Regelung zuvor Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens gewesen wäre. Damit hat er ein Gesetzesinitiativrecht beansprucht, das gemäß Art. 76 Abs.1 GG ausschließlich dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zusteht.


Das so zustande gekommene Gesetz verstößt zwar gegen das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs.2 GG, das in Art. 42 Abs.1 S.1 GG normierte Prinzip der Öffentlichkeit der parlamentarischen Debatte sowie die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs.1 S.2 GG. Die Streichung von § 12 Abs.2 S.4 UmwStG 1995 ist aber dennoch weiter gültig, weil es an der nötigen Evidenz des Verfassungsverstoßes fehlt. Denn das BVerfG hat die Maßstäbe, aus denen sich im Streitfall der Verfassungsverstoß ergibt, erst mit Urteil vom 07.12.1999 konkretisiert. Hierauf konnte sich der Gesetzgeber 1997 noch nicht einstellen.


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.

  • Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.



Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 06.03.2008; Quelle: BVerfG PM Nr.26 vom 06.03.2008


(Meldung vom 2008-03-07)