Steuerrechtsinfos

Finanzämter dürfen Arbeitsagenturen auch ohne konkreten Missbrauchsverdacht über Einkünfte eines Arbeitslosen informieren



Die Finanzämter dürfen im Besteuerungsverfahren erlangte Informationen über neben dem Arbeitslosengeld bezogene Einkünfte an die Arbeitsagenturen weitergeben. Dies setzt keinen konkreten Verdacht eines Leistungsmissbrauchs voraus. Die Finanzämter müssen insbesondere nicht selbst prüfen, ob der Steuerpflichtige zu Unrecht Arbeitslosengeld erhalten hat. Ausreichend ist vielmehr, dass die Informationen für eine Rückforderungsentscheidung erheblich sein können.

Der Sachverhalt:
Der Antragsteller hatte in den Streitjahren 2002 bis 2004 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld erhalten. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass der Antragsteller in diesen Jahren gleichwohl erhebliche Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit sowie aus Gewerbebetrieb erzielt hatte, und wollte dies der Agentur für Arbeit mitteilen.

Mit seinem hiergegen gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung machte der Antragsteller geltend, dass er immer nur zeitweise arbeitslos gewesen sei und die festgestellten Einkünfte in den Zeiträumen erzielt habe, in denen er kein Arbeitslosengeld bezogen habe. Da das Finanzamt nur die Jahreseinkünfte ermittelt habe, die Zahlung von Arbeitslosengeld aber monatsweise erfolge, ergebe sich aus den Feststellungen des Finanzamts kein hinreichend konkreter Verdacht, dass er zu Unrecht Arbeitslosengeld bezogen habe.


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Finanzamt hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.


Die Gründe:
Das Finanzamt darf die im Rahmen der Außenprüfung erlangten Informationen über die Einkünfte des Antragstellers in den Streitjahren an die zuständige Arbeitsagentur weitergeben. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 31a Abs.1 Nr.1 b) bb) AO. Hiernach sind Finanzämter unter anderem zur Weitergabe von im Besteuerungsverfahren erlangten Informationen an die Arbeitsagenturen berechtigt, wenn diese benötigt werden, um eine Entscheidung über die Rückforderung von etwaig zu Unrecht bezogenem Arbeitslosengeld treffen zu können.


Die Weitergabe von Informationen an die Arbeitsagenturen setzt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht voraus, dass das Finanzamt festgestellt hat, dass der Steuerpflichtige tatsächlich zu Unrecht Arbeitslosengeld erhalten hat, oder dies zumindest hinreichend wahrscheinlich ist. Ausreichend ist vielmehr, dass die weitergegebenen Informationen nach Maßgabe des SGB III für die Entscheidung über eine etwaige Rückforderung von Arbeitslosengeld erheblich sind.


Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Weitergabe von durch das Steuergeheimnis geschützten Informationen an die Arbeitsagenturen. Der hiermit verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist dadurch gerechtfertigt, dass die Allgemeinheit ein schützenswertes Interesse daran hat, dass Sozialversicherungsleistungen nicht zu Unrecht in Anspruch genommen werden.


§ 31 AO verstößt auch nicht gegen das aus Art. 6 EMRK abgeleitete Verbot, sich selbst strafrechtlich belasten zu müssen. Art. 6 EMRK garantiert nicht die Unantastbarkeit des Steuergeheimnisses, sondern die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Es verletzt aber nicht die Menschenwürde, wenn zu steuerlichen Zwecken gemachte Angaben dazu verwendet werden, um zu überprüfen, ob jemand zu Unrecht öffentliche Leistungen in Anspruch genommen hat.


Linkhinweis:



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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.10.2007, Quelle: BFH PM Nr.95 vom 4.10.2007


(Meldung vom 2007-10-31)