Steuerrechtsinfos

Experten sehen bei der geplanten Erbschaftsteuerreform erheblichen Korrekturbedarf



Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft haben sich im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zur Erbschaftsteuerreform am 05.03.2008 überwiegend kritisch zum Gesetzentwurf der Bundesregierung geäußert. Die Kritik richtet sich vor allem dagegen, dass die Verschonungsregelung für Unternehmensfortführungen nur greifen sollen, wenn der Betrieb über 15 Jahre fortgeführt wird und der Großteil der bisherigen Arbeitsplätze über mindestens zehn Jahre erhalten bleibt.

Zu lange Fristen zur Fortführung des Unternehmens
Viele Experten kritisieren, dass die vorgesehenen zehn- beziehungsweise 15-jährigen Fristen zu lang sind. Bei einem durchschnittlichen Produktionszyklus von fünf bis acht Jahren könne kein Unternehmer den Erhalt de status quo des Betriebs über zehn oder 15 Jahre garantieren, meint etwa der Deutsche Steuerberaterverband (DStV). Auch der Deutsche Unternehmensverband Vermögensberatung geht davon aus, dass die Verschonungsregelung an "in der Regel unerfüllbare Bedingungen geknüpft" ist.

Aufgabe des „Alles-oder-nichts-Prinzips“
Außerdem wenden sich viele Experten dagegen, dass es im Fall der Nichteinhaltung der Fristen zu einer vollen Nachversteuerung kommt. So fordert etwa die Bundesteuerberaterkammer (BStBK), dass der Verschonungsabschlag anteilig gewährt werden solle, wenn die Voraussetzungen für die steuerliche Begünstigung zeitweise nicht erfüllt seien.

Kritik an der Regelung zum Verwaltungsvermögen
Die Kritik richtet sich auch gegen die im Regierungsentwurf vorgesehene Regelung zum Verwaltungsvermögen. Danach kann die Verschonungsregelung nur dann gewählt werden kann, wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als die Hälfte des Gesamtbetriebsvermögens ausmacht. Diese Voraussetzung könnten Versicherungen und Finanzdienstleister regelmäßig nicht erfüllen und wären bei einer vollen Besteuerung existentiell bedroht, bemängelte ein Versicherungskonzern.


Auch Finanzrichter sehen Verschonungsregelung kritisch
Die Verschonungsregelung wird auch vom Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter als "wenig zielgenau" kritisiert. Es gebe Unternehmen, die die geforderte Lohnsumme nicht einhalten könnten und dafür noch mit der Erbschaftsteuerschuld belastet würden. Andererseits könnten florierende Unternehmen die Verschonungsregelung in Anspruch nehmen, obwohl sie diese "Subvention" nicht nötig hätten.


Wertermittlung zu starr
Die BStBK hält zudem die vorgesehene Wertermittlung für zu starr, da diese bei vielen Unternehmen zu einer Überbewertung führen würde. Der Kapitalisierungszinssatz solle daher erhöht und zudem eine Bandbreite zugelassen werden, um damit eine realitätsnahe Bewertung zu erreichen.


Der Hintergrund:
Die Bundesregierung hat mit ihrem Gesetzentwurf auf die Entscheidung des BVerfG vom 7.11.2006 (Az.: 1 BvL 10/02) reagiert, wonach die bisherige unterschiedliche Bewertung von Immobilien-, Betriebs- und Kapitalvermögen im Erbfall verfassungswidrig ist. Der Entwurf sieht eine einheitliche Bewertung aller Vermögensarten nach dem Verkehrswert vor. Die hiermit verbundene Höherbewertung von Grundeigentum soll durch deutlich höhere Freibeträge für nahe Familienangehörige ausgeglichen werden.


Der Regierungsentwurf sieht außerdem vor, dass beim Unternehmensübergang 85 Prozent des Betriebsvermögens von der Erbschaft- und Schenkungsteuer verschont bleiben, wenn der Großteil der bisherigen Arbeitsplätze über mindestens zehn Jahre erhalten bleibt, der Betrieb über mindestens 15 Jahre fortgeführt wird und die Lohnsumme in den zehn Jahren nach der Übertragung in keinem Jahr niedriger ist als 70 Prozent der durchschnittlichen Lohnsumme fünf Jahre vor der Übertragung. Die restlichen 15 Prozent des Betriebsvermögens sollen zudem erst nach Abzug eines Freibetrags von maximal 150.000 Euro besteuert werden.


Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des Bundestags veröffentlichten Regierungsentwurf zur Erbschaftsteuerreform in der Fassung vom 28.01.2008 (BT-Drs.: 16/7918) klicken Sie bitte hier (pdf-Datei).


Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 06.03.2008; Quelle: Bundestag PM vom 05.03.2008


(Meldung vom 07.03.2008)