Steuerrechtsurteile

Grenzgänger-Besteuerung: Zählung der Nichtrückkehrtage von der Schweiz nach Deutschland knüpft an Arbeitseinheiten an



Muss ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer über mehrere Tage hinweg ohne Unterbrechung in der Schweiz tätig werden, so ist bei der Anwendung der Grenzgängerregelung nicht jeder dieser Tage als ein Tag zu zählen, an dem der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Die Steuerbefreiung in Deutschland knüpft an die Zahl der so genannten Nichtrückkehrtage an, die sich nach der Zahl der - gegebenenfalls mehrtägigen - Arbeitseinheiten bemisst.

Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen lebten in beiden Fällen in Deutschland und arbeiteten in der Schweiz. Sie waren beide im Bereich Pflege, Betreuung und Erziehung beschäftigt und mussten infolgedessen immer wieder mehrtägige Bereitschaftsdienste leisten. Aufgrund der Besonderheit ihrer Arbeitseinsätze waren die Klägerinnen jeweils an mehr als sechzig Tagen im Jahr nicht in der Lage, an ihren Wohnort in Deutschland zurückzukehren.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1994 bis 1996 beziehungsweise 2001 gingen die Klägerin davon aus, dass ihr Arbeitslohn nicht der deutschen Besteuerung unterliege. Demgegenüber bezog das Finanzamt jeweils den Arbeitslohn der Klägerinnen in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein.


Das FG gab in beiden Fällen den hiergegen gerichteten Klagen statt. Auf die jeweiligen Revisionen der Finanzämter hob der BFH die Urteile auf und wies die Klagen ab.


Die Gründe:
Die Finanzämter haben die Einkünfte der Klägerinnen aus ihren Tätigkeiten in der Schweiz in beiden Fällen zu Recht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen. Der Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 steht dieser Sachbehandlung nicht entgegen.


Die Bezüge der Arbeitnehmer, die in Deutschland wohnen und in der Schweiz arbeiten, dürfen nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz regelmäßig in Deutschland besteuert werden. Sie sind aber in der Schweiz zu versteuern und in Deutschland steuerfrei, wenn der Arbeitnehmer mehr als 60 Mal im Jahr aus beruflichen Gründen nach Arbeitsende nicht nach Hause zurückkehren kann. Die Steuerbefreiung in Deutschland knüpft deshalb an die Zahl der Nichtrückkehrtage an.


Ergänzend hierzu heißt es in Nr.II.1. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18.12.1991, die Annahme einer regelmäßigen Rückkehr an den Wohnsitz im Sinn des Art. 15a Abs.2 S.1 DBA-Schweiz 1971/1992 werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Arbeitsausübung bedingt durch betriebliche Umstände wie Schichtarbeitern oder Krankenhauspersonal mit Bereitschaftsdienst über mehrere Tage erstreckt. Diese Bestimmung enthält eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15a Abs.2 DBA-Schweiz 1971/1992.


In Fällen wie den vorliegenden richtet sich die Zählung der Nichtrückkehrtage demnach nicht nach den einzelnen Arbeitstagen, sondern nach der gesamten - gegebenenfalls mehrtägigen - Arbeitseinheit. Insoweit kommt es darauf an, an wie vielen Tagen nach dem Ende der jeweiligen mehrtägigen Bereitschaftsdienste eine Heimfahrt nicht möglich war.


In solchen Fällen schließt das Doppelbesteuerungsabkommen die deutsche Besteuerung nicht aus. Diese Handhabung entspricht der bisherigen Praxis der deutschen wie auch der Schweizer Steuerbehörden.


Hintergrund:
Im Bereich der Grenzgänger-Besteuerung gibt es zahlreiche weitere Gestaltungen, deren steuerliche Behandlung noch ungeklärt ist. Das gilt beispielsweise für Fälle, in denen ein in Deutschland wohnhafter Arbeitnehmer häufig Dienstreisen unternimmt und anschließend nach Hause fährt, ohne zuvor seinen Arbeitsort in der Schweiz aufzusuchen. Über diese und andere Sonderfälle wird der BFH demnächst entscheiden.


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.

  • Um direkt zum Volltext der Entscheidungen zu kommen, klicken Sie bitte hier für Az.: I R 10/07 und hier für Az.: I R 64/07.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.12.2008, Quelle: BFH PM Nr.117 vom 03.12.2008


(Meldung vom 2008-12-03)