Steuerrechtsurteile

Betrügerische Schneeballsysteme: Auch "(Schein-)Renditen" sind einkommensteuerpflichtig



Kapitalanlagen im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems können sowohl hinsichtlich der tatsächlich ausgezählten Erträge als auch im Hinblick auf (Schein-)Renditen aus Gutschriften zu steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen führen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Gesellschaft bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen "Renditen" fähig gewesen wäre. Das setzt nicht voraus, dass der Initiator des Schneeballsystems sämtliche Verbindlichkeiten auf einmal auszahlen kann.

Der Sachverhalt:
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Sie beteiligten sich seit 1991 mit insgesamt 110.000 DM an der C-GmbH, die sich insbesondere mit (angeblichen) Börsentermingeschäften befasste. In den zugrunde liegenden Verträgen war vorgesehen, dass die Kläger 70 Prozent und die C-GmbH 30 Prozent des Gewinns aus den Anlagegeschäften erhalten sollten.

Zunächst erzielte die C-GmbH erhebliche Gewinne. Nachdem im Jahr 1993 aber sowohl die erwirtschafteten Gewinne als auch angelegte Kundengelder durch die Verluste des Jahres größtenteils aufgebraucht waren, begann der Gesellschafter-Geschäftsführer der C-GmbH, zur Vertuschung der Verluste Abrechnungen zu fingieren. Zwischen 1993 und 1998 zahlte er daher den Anlegern von diesen zuvor eingezahlte Gelder im Rahmen eines Schneeballsystems als Rendite aus. Reale Börsengeschäfte führte die C-GmbH letztmals 1998 aus. Danach wurden sämtliche Vorgänge, die reale Geschäfte vortäuschen sollten, fingiert.


Die Kläger erzielten in den Streitjahren 1996 bis 2001 Erträge in Höhe von insgesamt rund 1,4 Millionen DM, wovon ihnen allerdings nur ein Betrag in Höhe von 656.500 DM tatsächlich ausgezahlt worden ist. Der Rest wurde ihnen gutgeschrieben und von ihnen wiederum der C-GmbH als Anlagekapital überlassen. Ende 2001 wurde über das Vermögen der C-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und ihr Gesellschafter-Geschäftsführer wegen Betruges zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.


Das Finanzamt behandelte die Gesamterträge der Kläger in Höhe von rund 1,4 Millionen DM als Einkünfte aus einer stillen Beteiligung gemäß § 20 Abs.1 Nr.4 EStG und erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem FG hinsichtlich der nicht ausgezahlten Erträge Erfolg. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH diese Entscheidung auf und wies die Klage insgesamt ab.


Die Gründe:
Das Finanzamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass sowohl die tatsächlichen Auszahlungen an die Kläger als auch die ihnen erteilten Gutschriften Kapitaleinnahmen aus einer stillen Beteiligung nach § 20 Abs.1 Nr.4 EStG sind.


Eine stille Gesellschaft setzt nach § 230 HGB einen vertraglichen Zusammenschluss zwischen einem Unternehmensträger und einem anderen voraus, kraft dessen sich der andere ohne Bildung eines Gesellschaftsvermögens mit einer Einlage an dem Unternehmen beteiligt und eine Gewinnbeteiligung erhält. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. So hatte die C-GmbH ihren Anlegern eine erhebliche Erfolgsbeteiligung in Höhe von 70 Prozent des Gewinns zugesagt und sie zugleich an den Verlusten aus den getätigten Geschäften beteiligt.


Die den Klägern in den Streitjahren tatsächlich ausgezahlten Zinsen sind daher als Kapitaleinnahmen aus einer stillen Beteiligung nach § 20 Abs.1 Nr.4 EStG zu erfassen. Gleiches gilt für die Beträge, die die C-GmbH den Klägern gutgeschrieben hat und die die Kläger so dann stehengelassen beziehungsweise wiederangelegt haben.


Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass auch derartige (Schein-)Renditen aus Schneeballsystemen zu Einnahmen aus einer stillen Beteiligung führen können. Voraussetzung hierfür ist, dass der Unternehmer bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen "Renditen" fähig gewesen wäre. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Initiator des Schneeballsystems bei einem Auszahlungsbegehren eines Anlegers seine sämtlichen Verbindlichkeiten auf einmal hätte auszahlen können. Ein Missverhältnis zwischen den tatsächlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und den tatsächlich bestehenden Forderungen ändert daran nichts.


Linkhinweis:



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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.11.2008, Quelle: BFH PM Nr.107 vom 12.11.2008


(Meldung vom 2008-11-12)