Steuerrechtsurteile

Entnahme eines die Haftsumme übersteigenden Agios führt bei negativem Kapitalkonto nicht zu einer Gewinnzurechnung



Es ist davon auszugehen, dass bei Bestehen eines negativen Kapitalkontos eine (Pflicht-)Einlage eines Kommanditisten, die die Haftsumme übersteigt (also auch ein Agio), verbraucht ist. Das hat zur Folge, dass in einem solchen Fall eine Entnahme auch insoweit, als sie die Differenz zwischen Haftsumme und überschießender Pflichteinlage nicht überschreitet, zum Wiederaufleben der nach § 15a Abs.1 S.2 EStG zu berücksichtigenden Haftung des Kommanditisten führt und mithin eine Zurechnung nach § 15a Abs.3 EStG zu unterbleiben hat.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die ein Seeschiff betreibt. Komplementärin ist eine Verwaltungs-GmbH. Das gezeichnete Kapital der Gesellschaft verteilte sich im Streitjahr 2000 auf 71 Kommanditisten. Alle Gesellschafter erbrachten ihre Pflichteinlage und das Agio. Die Kommanditeinlagen wurden - wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen - auf einem Kapitalkonto (I) des jeweiligen Gesellschafters gebucht, das laut Gesellschaftsvertrag fest und unveränderlich sein sollte. Das Agio wurde auf dem Kapitalkonto (II) des jeweiligen Gesellschafters erfasst.

Die Klägerin erzielte ausschließlich Verluste, an denen die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kommanditanteile beteiligt wurden. Die Verluste wurden für jeden Gesellschafter auf einem Ergebnissonderkonto gebucht, das auch bei negativem Saldo keine Nachschussverpflichtung der Kommanditisten begründen sollte. Zudem wurden im Streitjahr Entnahmen für Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von 22.646 DM auf einem gesonderten Konto erfasst. Das Finanzamt rechnete den Kommanditisten diesen Betrag als durch Einlageminderung entstandene Gewinne im Sinn des § 15a Abs.3 EStG zu.


Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts blieb vor dem BFH erfolglos.


Die Gründe:
Die streitigen Entnahmen waren den im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten nicht gemäß § 15a Abs.3 EStG als Gewinn zuzurechnen.


Gemäß § 15a Abs.3 S.1 EStG ist einem Kommanditisten der Betrag einer Entnahme als Gewinn zuzurechnen, soweit durch die Entnahme ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht und soweit nicht auf Grund der Entnahme eine nach § 15a Abs.1 S. 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht. Zwar lagen im Streitfall Entnahmen vor, durch die die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten zusätzlich erhöht wurden. Es lag aber auch eine Haftung vor. Denn die Haftung der im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten ist gemäß §§ 171 Abs.1, 172 Abs.4 S.1 HGB infolge der Entnahmen der Kapitalertragsteuer wieder aufgelebt.


Ob und unter welchen Voraussetzungen eine gemäß § 15a Abs.3 in Verbindung mit Abs.1 S.2 EStG zu berücksichtigende Haftung der Kommanditisten wieder auflebt, bestimmt sich allein nach handelsrechtlichen und nicht nach steuerrechtlichen Maßstäben. Nach § 171 Abs.1 HGB haftet ein Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar. Die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Ergänzend hierzu bestimmt § 172 Abs.4 S.1 HGB, dass die Einlage eines Kommanditisten den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet gilt, soweit sie zurückbezahlt wird.


Es ist davon auszugehen, dass bei Bestehen eines negativen Kapitalkontos eine (Pflicht-)Einlage, die die Haftsumme übersteigt - also auch ein Agio -, verbraucht ist. Das hat zur Folge, dass in einem solchen Fall eine Entnahme auch insoweit, als sie die Differenz zwischen Haftsumme und überschießender Pflichteinlage nicht überschreitet, zum Wiederaufleben der nach § 15a Abs.1 S.2 EStG zu berücksichtigenden Haftung führt und mithin eine Zurechnung nach § 15a Abs.3 EStG zu unterbleiben hat.


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.11.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-11-04)