Steuerrechtsurteile

Grenzgänger müssen negative Immobilieneinkünfte aus Wohnsitzstaat im Beschäftigungsstaat vom steuerpflichtigen Einkommen abziehen können



Wer in einem anderen Mitgliedstaat wohnt als er arbeitet, muss grundsätzlich negative Einkünfte in Bezug auf eine im Wohnmitgliedstaat belegene Wohnung von seinem steuerpflichtigen Einkommen abziehen können. Das gilt jedenfalls dann, wenn der wesentliche Teil der zu versteuernden Einkünfte des Steuerpflichtigen aus einer abhängigen Beschäftigung im Beschäftigungsmitgliedstaat stammt.

Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist niederländischer Staatsangehöriger. In den Streitjahren 1996 bis 1997 arbeitete er in den Niederlanden, wohnte aber in Belgien. Er unterhielt dort eine Eigentumswohnung, die er mittels Hypothekendarlehen finanziert hatte und bei der die Raten zur Abzahlung der Darlehens über dem Mietwert der Wohnung lagen. Er erzielte sein gesamtes Arbeitseinkommen in den Niederlanden.

Bei seiner Einkommensteuer-Veranlagung in den Niederlanden für die Streitjahre machte er ohne Erfolg den Abzug der negativen Einkünfte im Zusammenhang mit seiner belgischen Wohnung geltend. Zwar sind derartige Einkünfte in den Niederlanden grundsätzliche einkünftemindernd zu berücksichtigen. Das gilt aber nur für Steuerpflichtige, die in den Niederlanden wohnen und arbeiten.


Das mit der Klage befasste niederländische Gericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die vorliegende Ungleichbehandlung von Grenzgängern gegenüber Steuerpflichtigen, die in den Niederlanden wohnen und arbeiten, gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Der EuGH bejahte dies.


Die Gründe:
In Fällen wie dem Vorliegenden muss der Beschäftigungsmitgliedstaat die negativen Einkünfte hinsichtlich der im Wohnmitgliedstaat belegenen Wohnung bei der Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens berücksichtigen. Anderenfalls wird das Recht auf Freizügigkeit verletzt, das auch das Recht umfasst, bei einer Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nicht gegenüber den Gebietsansässigen benachteiligt zu werden.


Die Mitgliedstaaten sind zwar in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Harmonisierungsmaßnahmen dafür zuständig, Kriterien für die Besteuerung der Einkünfte und des Vermögens festzulegen, um die Doppelbesteuerung zu beseitigen. Sie können zu diesem Zweck Doppelbesteuerungsabkommen schließen und dabei die Steuerhoheit jeweils einem der beteiligten Staaten zuweisen. Sie dürfen hierbei aber nicht gegen die vom EG-Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten verstoßen.


Im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Niederlanden und Belgien ist die Befugnis zur Besteuerung der Immobilieneinkünfte dem Mitgliedstaat zugewiesen, in dem die Immobilie belegen ist. Hierauf beruht jedoch im Streitfall die Ablehnung des vom Kläger geltend gemachten Abzugs nicht. Sie beruht vielmehr darauf, dass der Kläger in den Niederlanden nicht als Gebietsansässiger gilt.


Die Nichtberücksichtigung der von einem Grenzgänger im Wohnmitgliedstaat erzielten negativen Immobilieneinkünfte im Beschäftigungsmitgliedstaat stellt jedenfalls dann einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar, wenn der Steuerpflichtige – wie hier – im Beschäftigungsmitgliedstaat den wesentlichen Teil seiner zu versteuernden Einkünfte erzielt. Denn seine Steuerkraft ist in diesem Fall objektiv mit der einer Person vergleichbar, die in dem Beschäftigungsmitgliedstaat arbeitet und wohnt.


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.10.2008, Quelle: EuGH PM Nr.74 vom 16.10.2008


(Meldung vom 2008-10-20)