Steuerrechtsurteile

Branchenwechsel führt nicht automatisch zum Verlust der wirtschaftlichen Identität



§ 8 Abs.4 KStG 1996 n.F. definiert in S.1 nicht die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft, sondern bestimmt in S.2 lediglich beispielhaft, wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr vorliegt. Eine wirtschaftlich mit dem Regelbeispiel vergleichbare Situation liegt demnach nicht vor, wenn im Rahmen eines Branchenwechsels kein neues Betriebsvermögen zugeführt wurde.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH. Im Streitjahr 1998 hatte sie zunächst noch für Krankenhäuser, Kliniken und gewerbliche Betriebe Sonderabfall entsorgt. Sie nutzte dafür ein Abfallzwischenlager, dessen Grundstück in Erbpacht angepachtet war. Die Gebäude und die dazu erforderlichen Betriebsvorrichtungen standen im Eigentum der Klägerin.

Mit Wirkung zum 31.12.1998 übertrug die Klägerin ihr operatives Geschäft auf die X-GmbH. Diese pachtete zudem das Industriegrundstück der Klägerin und übernahm ihre Arbeitnehmer. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist seitdem die Verwaltung und Verpachtung des Grundbesitzes und der Anlagen. Neues Betriebsvermögen wurde der Klägerin im Streitjahr nicht zugeführt.


Nach einer Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass der verbleibende Verlustabzug und der vortragsfähige Fehlbetrag im Streitjahr nicht gemäß § 8 Abs.4 KStG 1996 n.F. abzugsfähig seien.


Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.


Gründe:
Der verbleibende Verlustabzug und der vortragsfähige Fehlbetrag der Klägerin im Streitjahr waren gemäß § 8 Abs.4 KStG 1996 n.F. in Verbindung mit § 10a S.4 GewStG 1991 abzugsfähig.


Gemäß dem hier anzuwendenden § 8 Abs.4 S.1 KStG 1996 n.F. setzt der Verlustabzug gemäß § 10d EStG 1997 in Verbindung mit § 8 Abs.1 KStG 1996 n.F. bei einer Körperschaft voraus, dass diese nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Die erforderliche wirtschaftliche Identität liegt nach S.2 insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt.


Dabei ist zu beachten, dass § 8 Abs.4 S.1 KStG 1996 n.F. die so genannte wirtschaftliche Identität einer Körperschaft nicht definiert, sondern in S.2 lediglich beispielhaft bestimmt, wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist. § 8 Abs.4 S.2 KStG 1996 n.F. als Regelbeispiel setzt damit aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter ihren S.1 zu fassenden Sachverhalte.


Der Klägerin ist mit der Übertragung von Geschäftsanteilen im Streitjahr allerdings kein neues Betriebsvermögen zugeführt worden. Die Voraussetzungen des Regelbeispiels fehlender wirtschaftlicher Identität gemäß § 8 Abs.4 S.2 KStG 1996 n.F. sind damit nicht erfüllt. Der Ausschluss des Verlustabzugs war demnach rechtwidrig.


Auch die Änderung des Unternehmenszwecks von einer aktiv tätigen zu einer vermögensverwaltenden Gesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (Branchenwechsel) führt unabhängig von der Zuführung neuen Betriebsvermögens nicht zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität. Ziel des § 8 Abs.4 KStG 1996 n.F. ist es in erster Linie, missbräuchlichen Gestaltungen vorzubeugen und in diesem Zusammenhang vor allem den Handel mit vortragsfähigen Verlusten zu unterbinden.


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.10.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-10-16)