Steuerrechtsurteile

Steuerhinterziehung steht einer Restschuldbefreiung nicht entgegen



Eine Steuerhinterziehung stellt keine die Restschuldbefreiung ausschließende unerlaubte Handlung im Sinn von § 302 Nr.1 InsO dar. Der Ausschlusstatbestand gilt nur für unerlaubte Handlungen gemäß §§ 823 ff. BGB. Eine Steuerhinterziehung begründet jedoch weder einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs.1 BGB noch stellt der Straftatbestand der Steuerhinterziehung ein Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs.2 BGB dar.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte Umsatz- und Gewerbesteuer hinterzogen und wurde rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO verurteilt. Nachdem über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, meldet das Finanzamt die hinterzogenen Steuern als Deliktsforderungen im Sinn von § 302 Nr.1 InsO zur Tabelle an.

Der Kläger, der zwischenzeitlich einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hatte, widersprach der Einordnung der angemeldeten Forderungen als Deliktsforderungen. Das Finanzamt erließ dennoch einen Feststellungsbescheid, in dem es die Forderungen als solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Sinn von § 302 Nr.1 InsO auswies.


Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.


Die Gründe:
Das Finanzamt hat die Steuerhinterziehung des Klägers zu Unrecht als eine (der Restschuldbefreiung entgegenstehende) vorsätzliche unerlaubte Handlung im Sinn von § 302 Nr.1 InsO qualifiziert.


Eine Steuerhinterziehung begründet keinen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs.1 BGB. Steuer- und Haftungsansprüche stellen eigenständige öffentlich-rechtliche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis dar. Sie unterliegen anderen Regeln als die zivilrechtlichen Deliktsansprüche und können deshalb keine Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung begründen.


Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung stellt auch kein Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs.2 BGB dar. Schutzgesetze sind nur solche Normen, die zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen dienen. Dies ist beim Straftatbestand der Steuerhinterziehung nicht der Fall. § 370 AO schützt kein Individualinteresse, sondern nur das öffentliche Interesse des Fiskus und damit des Staates am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen bestimmter einzelner Steuern.


§ 302 Nr.1 InsO kann entgegen der Auffassung des Finanzamts auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass jede gesetzlich nicht erlaubte Handlung – und damit auch Rechtsverletzungen außerhalb der §§ 823 ff. BGB – zu einem Ausschluss der Restschuldbefreiung führen.


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.10.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-10-16)