Steuerrechtsurteile

Aktienkauf: Wirtschaftlicher Eigentumserwerb ist erst mit Übernahme des Wertminderungsrisikos abgeschlossen



Bestimmen die Parteien eines Aktienkaufvertrags den im Jahr des Vertragabschlusses zunächst nur vorläufig festgelegten Kaufpreis aufgrund eines erst im folgenden Jahr zu erstellenden Wertgutachtens und machen sie die Besitzübertragung von der vollständigen Zahlung des Kaufpreises abhängig, geht das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen noch nicht mit Abschluss des Kaufvertrags auf den Erwerber über. Somit ist die Geltendmachung eines Veräußerungsverlustes durch den Veräußernden gemäß § 17 Abs.2 EStG für das Jahr des Vertragsabschlusses nicht möglich.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte sich in den Jahren 1992 und 1993 durch Erwerb von 120.401 Inhaberaktien für insgesamt 20.580.824 DM zu 50,16 Prozent an einer AG beteiligt. Er verkaufte diese Anteile im Streitjahr 1994 an eine GmbH, an der er beteiligt und deren Geschäftsführer er war. Die Übereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die depotführende Bank stand unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises. Nach § 2 des Vertrags sollte der Kaufpreis vorläufig 2 Millionen DM betragen und sich endgültig aus dem erst im folgenden Jahr nachzureichenden Bewertungsgutachten ergeben.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger einen Verlust aus der Veräußerung der Aktien nach § 17 Abs.2 EStG in Höhe von 18.580 824 DM als Unterschied zwischen den Anschaffungskosten und dem Veräußerungspreis geltend. Über das Vermögen der AG wurde im April 1995 der Anschlusskonkurs eröffnet. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kam zu dem Ergebnis, dass die Aktien der AG wertlos seien.


Das Finanzamt legte allerdings keinen Verlust aus der Veräußerung der Aktien zugrunde. Denn es fehle am zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Übergang der Aktien auf die GmbH.


Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers vor dem BFH blieb erfolglos.


Die Gründe:
Der vom Kläger gemäß § 17 Abs.2 EStG geltend gemachte Veräußerungsverlust war im Streitjahr 1994 nicht zu berücksichtigen.


Im Streitjahr ist weder das zivilrechtliche noch das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen der AG vom Kläger auf die GmbH übergegangen. Ein Erwerb gemäß § 39 Abs.1 AO scheidet aus, denn die Übereignung der Aktien durch Abtretung des Herausgabeanspruchs war bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises aufschiebend bedingt. Da der Kaufpreis nicht im Streitjahr gezahlt worden war, trat in diesem auch nicht die davon abhängig gemachte Übereignung der Aktien durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs ein.


Die Aktien sind der GmbH im Streitjahr auch nicht gemäß § 39 Abs.2 Nr.1 S.1 oder S.2 AO zuzurechnen. Übt danach ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer (hier den Kläger) im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließt, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften wird der Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer in diesem Sinne, wenn er



  • (1) aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat und

  • (2) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie

  • (3) das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.

Die GmbH ist demnach im Streitjahr noch nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile geworden, da es für einen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den veräußerten Anteilen vom Kläger auf die GmbH am Merkmal (3) fehlt. Denn der Kläger und nicht die GmbH trug nach der Vereinbarung bis zur Erstellung des Bewertungs- und Schiedsgutachtens nach den §§ 316, 317 BGB im Jahr 1995 allein das (sich dann auch verwirklichende) Risiko einer Wertminderung.


Der Kläger und die GmbH vereinbarten im Streitjahr lediglich einen vorläufigen Kaufpreis, der anders als beispielsweise eine Kaufpreisanpassungsklausel auf den Baukostenindex den Erwerber an der realen Wertentwicklung der Anteile jedenfalls im Streitjahr noch nicht beteiligte.


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.10.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-10-06)