Steuerrechtsurteile

Steuerfreiheit von Arbeitslohn aus einer geringfügigen Beschäftigung beurteilt sich nach sozialrechtlichen Maßstäben



Ob steuerfreies Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung vorliegt, beurteilt sich allein nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben. Hiernach ist die Geringfügigkeitsgrenze auch unter Einbeziehung tariflich geschuldeter, aber tatsächlich nicht ausgezahlter Löhne zu bestimmen. Der Einkommensteuer unterliegt allerdings nur der tatsächlich zugeflossene Arbeitslohn.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin beschäftigte in den Streitjahren 1999 bis 2001 mehrere Aushilfskräfte. Diese erhielten jeweils einen Monatslohn von 630 DM und wurden von der Klägerin als geringfügig Beschäftigte behandelt. Auf die Arbeitsverhältnisse fand der einschlägige Manteltarifvertrag Anwendung, der unter anderem einen Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 Prozent eines Monatslohns vorsah. Die Klägerin zahlte dieses Urlaubsgeld nicht aus. Ihre Aushilfskräfte stellten auch keine entsprechenden Forderungen.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass das tariflich geschuldete, aber nicht ausgezahlte Urlaubsgeld zum „Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung“ im Sinn von § 3 Nr.39 EStG gehöre. Es verteilte das Urlaubsgeld auf die Monatseinkünfte des gesamten Jahres. Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass die Entgeltgrenze des § 3 Nr.39 EStG (damals: 630 DM) überschritten sei, und erließ einen entsprechenden Nachforderungsbescheid.


Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH diese Entscheidung auf und wies die Klage ab.


Die Gründe:
Das Finanzamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Arbeitsentgelte wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze nicht gemäß § 3 Nr.39 EStG steuerfrei sind.


Ob ein nach § 3 Nr.39 EStG steuerfreies Entgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung im Sinn von § 8 Abs.1 Nr.1 SGB IV vorliegt, beurteilt sich allein nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben. Danach gehören auch Sonderzahlungen zum Arbeitsentgelt und sind zur Prüfung der Geringfügigkeitsgrenze auf die Monatsgehälter eines Jahres zu verteilen. Diese Hinzurechnung von Sonderzahlungen erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG selbst dann, wenn die dem Arbeitnehmer arbeits- oder tarifvertraglich zustehenden Sonderzahlung nicht ausgezahlt wird („Entstehungsprinzip“).


Nach diesen Grundsätzen waren die Aushilfskräfte der Klägerin keine geringfügig Beschäftigten, da bei Hinzurechnung eines Zwölftels des tariflichen Urlaubsgelds die Geringfügigkeitsgrenze von damals 630 DM jeweils überschritten war. Der Anwendung des „Entstehungsprinzips“ steht im Streitfall auch nicht die am 01.01.2003 in Kraft getretene Neufassung von § 22 Abs.1 SGB IV entgegen. Hiernach sind Sonderzahlungen zwar nur noch zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich ausgezahlt worden sind. Vor dieser Gesetzesänderung waren jedoch die Anwendung des „Entstehungsprinzips“ und deren Folgen vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigt.


Bei der Ermittlung der Höhe der nachzuversteuernden Löhne darf allerdings das tatsächlich nicht ausgezahlte Urlaubsgeld nicht berücksichtigt werden. Das sozialrechtliche "Entstehungsprinzip" ist nur für die Frage maßgeblich, ob es sich um steuerfreies Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung handelt. Die Höhe des steuerpflichtigen Lohns bestimmt sich dagegen allein nach dem einkommensteuerlichen „Zuflussprinzip“.


Linkhinweis:



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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.08.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-08-04)