Steuerrechtsurteile

Bei Prüfung der Mindestdauer eines Gewinnabführungsvertrags sind objektive Aspekte maßgeblich



Bei der Prüfung, ob ein Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist, ist der Vertrag nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Die Entstehungsgeschichte und die Vorstellungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen können bei der Vertragsauslegung nicht berücksichtigt werden. Auch der Grundsatz "falsa demonstratio non nocet", dass eine falsche Bezeichnung unschädlich ist, kann im Bereich der objektivierten Auslegung körperschaftlicher Vereinbarungen nicht uneingeschränkt angewendet werden.

Der Sachverhalt:
Die L-KG hatte im Juni 2001 sämtliche Anteile an der Klägerin, einer GmbH, erworben. Am 19.12.2001 schlossen beide Seiten einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab. Damit wollten sie eine für das Streitjahr 2002 gewerbesteuerlich anzuerkennende Organschaft begründen. Der Vertrag war „erstmals zum Ablauf des 31.03.2006“ kündbar. Das Datum wurde vom beurkundenden Notar als Textbaustein aus einem Gewinnabführungsvertrag zwischen der L-KG und einer anderen Tochtergesellschaft übernommen.

Nachdem die Klägerin vom Finanzamt auf die fünf Jahre unterschreitende Mindestlaufzeit des Vertrags hingewiesen worden war, traf sie am 11.12.2003 mit der L-KG eine Vereinbarung, in der beide Seiten versicherten, dass der 31.03.2006 in dem Vertrag vom 19.12.2001 versehentlich statt dem 31.12.2006 genannt worden sei und im Widerspruch zum gesamten Parteiwillen, dem sonstigen Inhalt sowie zum Zweck des Vertrags stehe.


Das Finanzamt erkannte wegen Unterschreitens der Mindestlaufzeit von fünf Jahren ein Organschaftsverhältnis für das Streitjahr nicht an, behandelte die vollzogene Gewinnabführung bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer der Klägerin als verdeckte Gewinnausschüttung und setzte gegenüber der Klägerin einen Gewerbesteuermessbetrag von 10.955 Euro fest. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision vor dem BFH war erfolglos.


Die Gründe:
Der streitige Gewerbesteuermessbescheid ist rechtmäßig.


Der Betrieb der Klägerin war gemäß § 2 Abs.1 S.1 GewStG ein eigenständiges Gewerbesteuerobjekt. Die Klägerin war nicht Organgesellschaft der L-KG im Sinn von § 2 Abs.2 S.2 GewStG in Verbindung mit § 14, § 17 KStG 1999 und galt deshalb gewerbesteuerrechtlich nicht als deren Betriebsstätte.


Zwar bestand seit dem 19.12.2001 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag im Sinn des § 291 Abs.1 AktG zwischen der L-KG und der Klägerin. Jedoch ist diesem die steuerrechtliche Anerkennung - mit der Konsequenz einer verdeckten Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs.3 S.2 KStG 1999 - zu versagen. Denn entgegen dem § 14 Abs.1 Nr.3 S.1 KStG 1999 ist er nicht auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen worden. Das Finanzamt hat die Kündigungsklausel im Vertrag zutreffend dahingehend ausgelegt, dass er bereits zum 31.03.2006 und damit vier Jahre und drei Monate nach seinem Beginn gekündigt werden konnte.


Die Kündigungsklausel gemäß § 294 Abs.1 S.2 AktG ist wesentlicher Bestandteil des mit der Anmeldung zum Handelsregister einzureichenden und damit gegenüber der Allgemeinheit zu publizierenden Vertrags geworden. Sie kann somit gegenüber allen Beteiligten nur einheitlich ausgelegt werden, so dass ihre Auslegung im finanzgerichtlichen Revisionsverfahren revisibel ist.


Der Vertrag ist dabei nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Die Entstehungsgeschichte und die Vorstellungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen können bei der Vertragsauslegung nicht berücksichtigt werden. Der Grundsatz, „dass eine falsche Bezeichnung unschädlich ist“, kann im Bereich der objektivierten Auslegung körperschaftlicher Vereinbarungen nicht uneingeschränkt angewendet werden. Denn bei der Kündigungsklausel eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages kann nicht ausgeschlossen werden, dass außenstehende Dritte - etwa potentielle Anteilserwerber - auf ihre Richtigkeit vertrauen.


Linkhinweise:



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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.06.2008, Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-06-18)