Steuerrechtsurteile

Nachträgliche Bilanzberichtigung ist bei zunächst ordnungsgemäßer Bilanz ausgeschlossen



Eine Bilanz kann nicht nachträglich gemäß § 4 Abs.2 S.1 EStG geändert ("berichtigt") werden, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Erstellung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprach. Daher ist eine Änderung ausgeschlossen, wenn die Bilanz erst in rückschauender Betrachtung aufgrund einer nach ihrer Erstellung geänderten Rechtsprechung (hier: zur Bildung einer Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen) objektiv gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung verstößt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine GmbH, stellte am 30.04.2002 ihren Jahresabschluss für das Streitjahr 2001 auf, ohne hierin eine Rückstellung für die Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen zu bilden. Der BFH entschied erstmals mit Urteil vom 19.08.2002 (Az.: VIII R 30/01), dass für derartige Kosten eine Rückstellung zu bilden ist.

Das Finanzamt erließ zunächst Steuerbescheide auf der Basis des durch den Jahresabschluss ermittelten Gewinns, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erhöhte es den Gewinn um einen Übernahmegewinn im Sinn von § 12 Abs.2 UmwStG 1995 und bestimmte Betriebsausgaben der Klägerin, die es als nicht abziehbar ansah.


Daraufhin machte die Klägerin geltend, dass sie nach dem BFH-Urteil vom 19.08.2002 für das Streitjahr eine Rückstellung für die Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen hätte bilden müssen. Das Finanzamt lehnte eine entsprechende Änderung der Bilanz ab und erließ aufgrund der Ergebnisse der Betriebsprüfung Änderungsbescheide, in denen es diese Rückstellung nicht berücksichtigte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.


Die Gründe:
Das Finanzamt hat die nachträgliche Berücksichtigung einer Rückstellung für die Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen zu Recht abgelehnt.


Eine Bilanz darf zwar nach § 4 Abs.2 S.1 EStG 1997 geändert werden, wenn sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht entspricht. Diese Vorschrift greift aber nicht schon dann ein, wenn ein Bilanzansatz bei rückschauender Betrachtung objektiv gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstößt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Bilanz nach dem Kenntnisstand im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprach.


Im Streitfall war im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses am 30.04.2002 noch umstritten, ob für die Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen eine Rückstellung zu bilden ist. Erst das BFH-Urteil vom 19.08.2002 hat die Rechtslage geklärt. Daher war der Jahresabschluss der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Bilanzaufstellung noch nicht „unrichtig“ im Sinn von § 4 Abs.2 S.1 EStG 1997.


Die von der Klägerin begehrte Rückstellungsbildung kann auch nicht nach Maßgabe des § 4 Abs.2 S.2 EStG 1997 steuerlich berücksichtigt werden. Hiernach ist eine nachträgliche Bilanzänderung zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs.2 S.1 EStG 1997 steht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn das Finanzamt – wie hier – den Gewinn zwar höher als vom Unternehmer erklärt ansetzt, dies aber auf einer Berücksichtigung von außerbilanziellen Gewinnerhöhungen beruht.


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.

  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.



Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 13.06.2008; Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-06-13)