Steuerrechtsurteile

Auch kommunale Wählervereinigungen sind bis auf Weiteres von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit



Es verletzt das Recht kommunaler Wählervereinigungen auf Chancengleichheit, dass lediglich politische Parteien gemäß § 13 Abs.1 Nr.18 ErbStG von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit sind. Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ist die Norm zwar weiter anwendbar, muss aber auf kommunale Wählergemeinschaften ausgedehnt werden, so dass diese Spenden und andere Zuwendungen bis auf Weiteres nicht versteuern müssen.

Der Sachverhalt:
Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Freie Wählergemeinschaft des Landkreises L. Sie verfolgt laut ihrer Satzung den Zweck, eine parteipolitische unabhängige kommunalpolitische Tätigkeit zu entfalten. Sie nimmt selbst an Kreistagswahlen teil und unterstützt die örtlichen Wählerereinigungen in den kreisangehörigen Kommunen durch Werbung und Beratung.

1993 erhielt die Klägerin eine Wahlkampf-Spende von einem privaten Unternehmen in Höhe von 5.000 DM. Das Finanzamt setzte wegen dieser Zuwendung Schenkungsteuer in Höhe von 400 DM fest. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, dass sie wie die politischen Parteien von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit werden müsse. Anderenfalls würde bei Kommunalwahlen der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt.

Das mit der Klage befasste Hessische FG setzte das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob § 13 Abs.1 Nr.18 ErbStG, wonach lediglich Zuwendungen an politischen Parteien im Sinn von § 2 Parteiengesetz von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit seien, verfassungsgemäß sei. Das BVerfG verneinte dies.


Die Gründe:
Die durch § 13 Abs.1 Nr.18 ErbStG bewirkte steuerliche Ungleichbehandlung von politischen Parteien und kommunalen Wählervereinigungen ist verfassungswidrig. Sie verletzt das Recht kommunaler Wählervereinigungen und ihrer Dachverbände auf Chancengleichheit aus Art. 3 Abs.1 in Verbindung mit Art. 9 Abs.1 und Art. 28 Abs.1 GG.


Politische Parteien erhalten durch die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs.1 Nr.18 ErbStG die Möglichkeit, Spendenmittel ungeschmälert für ihre politische Arbeit zu verwenden, während die Wählervereinigungen hierauf mindestens 17 Prozent Steuern zahlen müssen. Da für steuerliche Zwecke die Zuwendungen eines Geldgebers innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zusammengerechnet werden, wird der Steuerfreibetrag von derzeit 5.200 Euro zudem schon bei regelmäßigen jährlichen Spenden von über 520 Euro erreicht.


Wählervereinigungen sind insoweit nicht nur finanziell schlechter gestellt als Parteien, sondern müssen auch einen sehr viel höheren Verwaltungsaufwand bewältigen. Denn jeder der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb muss gemäß § 30 ErbStG dem Finanzamt angezeigt werden. Eine Anzeigepflicht besteht auch, wenn die Möglichkeit besteht, dass innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums der Steuerfreibetrag überschritten wird.


Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Die Steuerfreiheit von Spenden und sonstigen Zuwendungen dient nicht dazu, den besonderen finanziellen Mehraufwand auszugleichen, den politische Parteien aufgrund ihrer Aufgaben haben. Dieser Mehraufwand wird vielmehr im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung abgegolten. Die Steuerbefreiung ist auch nicht darauf ausgerichtet, die sich aus der überörtlichen Tätigkeit von Parteien ergebenden besonderen Belastungen auszugleichen. Denn die Steuerbefreiung wird unabhängig davon gewährt, ob die Spenden für überörtliche Aufgaben verwendet werden.


Der Hintergrund:
Das BVerfG hat in diesem Beschluss zugleich dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen Richtervorlagen, die sich auf Steuerbefreiungen, Steuerentlastungen oder sonstige steuerliche Begünstigungen beziehen, zulässig sind. Soweit eine Steuerrechtsnorm nur bestimmte Personen oder Gruppen begünstigt, ist danach von der Entscheidungserheblichkeit der Norm auszugehen, solange der Gesetzgeber nicht (aus Rechtsgründen oder aus offenkundigen tatsächlichen Gründen) gehindert ist, eine für den Kläger des Ausgangsverfahrens günstige Regelung zu schaffen.


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.

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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 04.06.2008; Quelle: BVerfG PM Nr.61 vom 04.06.2008


(Meldung vom 2008-06-04)