Steuerrechtsurteile

Zufallsfunde der Steuerfahndung ohne richterliche Entscheidung können zu einem Verwertungsverbot führen



Gegenstände, die von der Steuerfahndung zufällig bei einer Durchsuchung gefunden werden und in keiner Beziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die Verübung einer anderen Steuerstraftat hindeuten, können einstweilen in Beschlag genommen werden. Nach der Mitnahme müssen sie jedoch der Straf- und Bußgeldsachenstelle überstellt werden, um in einem späteren Beweisverfahren ein Verwertungsverbot zu vermeiden.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft, die mit Plastikartikeln handelt. Bis November 2005 war G. ihr faktischer Geschäftsführer, seither ist er alleiniger Geschäftsführer. G. war in den Streitjahren außerdem faktischer Geschäftsführer der Y-GmbH, die unter der gleichen Adresse wie die Antragstellerin gemeldet war. Geschäftsführer der Y-GmbH war T.

Am 05.03.2003 erging in dem Ermittlungsverfahren gegen T. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung für die Zeiträume 2000 bis 2002 zugunsten der Firma Y-GmbH ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des AG, in dem unter anderem die Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume der Y-GmbH sowie die Beschlagnahme diesbezüglicher Unterlagen angeordnet wurde. Bei der Durchsuchung am 13.03.2003 stellte ein Steuerfahnder in größerem Umfang auch Buchhaltungsunterlagen der Antragstellerin aus den Jahren 1996 bis 1999 sicher. Die Straf- und Bußgeldsachenstelle wurde über diese Beschlagnahme nicht in Kenntnis gesetzt.

Anhand der Unterlagen konnte die Steuerfahndung der Antragstellerin Unregelmäßigkeiten in ihrer Buchführung nachweisen. Dementsprechend erließ das Finanzamt gegenüber der Antragstellerin geänderte Steuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1999, in denen sie zur Zahlung von Körperschafts- und Gewerbesteuer veranlagt wurde.


Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt. Die Antragstellerin beantragte daraufhin Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs.3 FGO vor dem FG und hatte hiermit Erfolg.


Die Gründe:
Der Antrag ist begründet. Es bestehen § 69 Abs.2 S.2 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.


Das Einbehalten der Unterlagen der Antragstellerin, ohne nach der Mitnahme eine richterliche Bestätigung einzuholen, war rechtswidrig. Gemäß § 108 Abs.1 S.1 StPO sind Gegenstände einstweilen in Beschlag zu nehmen, die bei Gelegenheit einer Durchsuchung gefunden werden und in keiner Beziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten. Nach der Mitnahme der Unterlagen hätten diese von der Steuerfahndung an die Straf- und Bußgeldsachenstelle überstellt werden müssen. Diese hätte die Beschlagnahme nach §§ 94, 98 StPO herbeiführen oder freigeben müssen. Dies ist jedoch nicht passiert.


Dieser Verfahrensverstoß begründet ein Verwertungsverbot. Verstöße gegen Grundrechte und Verstöße gegen Vorschriften, die Ausfluss von Grundrechten sind, lösen ein Verwertungsverbot aus. Die Beschlagnahme stellt einen Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen dar.


Allerdings besteht das Verwertungsverbot nur, wenn das Ermittlungsergebnis auf einem Verstoß gegen das Beweisverbot beruht. Es besteht nicht, wenn das gleiche Ermittlungsergebnis auch bei legaler Ermittlung erzielt worden wäre. Die Steuerfahndung hat bei der Y-GmbH bezüglich der Jahre ab 2000 durchsucht und Unterlagen der Antragstellerin aus den Streitjahren 1996 bis 1999 mitgenommen. Neben einigen Umständen (Personenidentität der Geschäftsführer, Lagerung der Unterlagen im selben Raum), die auf einen hinreichenden strafrechtlichen Anfangsverdacht hindeuten könnten, treten somit gewichtige Gründe zutage, die wiederum ernstliche Zweifel daran bewirken. Eine endgültige Klärung muss im Hauptsacheverfahren erfolgen.


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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 30.05.2008, Quelle: FG Baden-Württemberg online


(Meldung vom 2008-05-30)