Steuerrechtsurteile

Berücksichtigung von Fahrtkosten bei mehreren Wohnungen: Entscheidend ist der Mittelpunkt der gesamten Lebensführung



Nutzt ein Steuerpflichtiger mehrere Wohnungen, so sind die Fahrtkosten nur dann nach Maßgabe der weiter vom Arbeitsort entfernt gelegenen Wohnung zu berücksichtigen, wenn sich dort der Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen und privaten Lebensführung befindet. Die private Lebensführung beschränkt sich nicht auf die typische Freizeitgestaltung, sondern umfasst beispielsweise auch die mit der Haushaltsführung zusammenhängenden Tätigkeiten.

Der Sachverhalt:
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Seit über 20 Jahren leben und arbeiten sie in M., wo sie eine eigene Doppelhaushälfte bewohnen. Seit 1998 besitzt die Klägerin außerdem ein Haus in dem rund 75 Kilometer von M. entfernt gelegenen S. Dieses Haus gehörte zunächst dem Großvater und später dem Vater der Klägerin. Die Klägerin ist hier aufgewachsen.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2001 und 2002 machten die Kläger unter anderem Fahrtkosten für Fahrten zwischen ihrem Haus in S. und ihrer Arbeitsstätte in M. als Werbungskosten geltend, wobei mehr als zwei Drittel der angegebenen Fahrten sich weiterhin auf die Strecke zwischen dem Haus in M. und der Arbeitsstätte bezogen. Sie machten geltend, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in S. befinde. Das Haus in S. sei weiterhin der zentrale Treffpunkt der Familie. Außerdem befinde sich hier der größere Freundes- und Bekanntenkreis, während die Kontakte in M. rein beruflich bedingt seien. Sie seien zudem in mehreren Vereinen in S. aktiv und hätten dort einen Garten zu versorgen.

Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten zwischen dem Haus in S. und der Arbeitsstätte in M. nicht und berechnete die abziehbaren Fahrtkosten stattdessen nach der Entfernung zwischen dem Haus in M. und der Arbeitsstätte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.


Die Gründe:
Das Finanzamt hat die Aufwendungen der Kläger für Fahrten zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte zu Recht nur nach der Entfernung zwischen dem Haus in M. und der Arbeitsstätte berücksichtigt. Haben Steuerpflichtige – wie hier – mehrere Wohnungen, so sind die Wege von und zu der von der Arbeitsstätte weiter entfernt liegenden Wohnung gemäß § 9 Abs.1 S.3 Nr.4 S.7 EStG nur zu berücksichtigen, wenn sich hier der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet und diese Wohnung nicht nur gelegentlich oder zu Besuchszwecken aufgesucht wird.


Die Kläger haben nicht nachgewiesen, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in S. befindet. Sie leben und arbeiten seit rund 20 Jahren in M. Aus der Zahl der angegebenen Fahrten ergibt sich zudem, dass sie weiterhin überwiegend von ihrer Wohnung in M. aus ihrer Berufstätigkeit nachgehen.


Die Kläger können auch nicht mit der Argumentation überzeugen, dass alles was ihre Lebensinteressen betreffe, von ausschließlich privaten Kontakten und Beziehungen geprägt sei und die Pflege dieser Kontakte überwiegend von der Wohnung in S. aus erfolge, während das Leben im M. nur mit ihrem beruflichem Umfeld zu tun habe und außerhalb ihrer eigenen Lebensinteressen liege. Eine derartige strikte Trennung ist lebensfremd. Der Begriff des Lebensmittelpunkts bezieht sich zudem nicht nur auf die Freizeitgestaltung, sondern auf die gesamte – berufliche und private – Lebensführung.


Nach diesen Grundsätzen befindet sich der Lebensmittelpunkt der Kläger weiterhin in M. Die von den Klägern geltend gemachten privaten Aktivitäten, die angeblich ausschließlich ihren Lebensinteressen entsprechen, gehören zum Bereich der Freizeitaktivitäten und sprechen nicht für eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts nach S.




Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 28.05.2008; Quelle: BFHReport online


(Meldung vom 2008-05-28)