Steuerrechtsurteile

Grenzgänger mit Wohnsitz in Deutschland und Arbeitsplatz in Holland können bei Volljährigkeit ihrer Kinder deutsches Kindergeld beanspruchen



Deutsche Staatsangehörige, die in Deutschland wohnen und in Holland arbeiten, haben nach Art. 13 VO (EG) 1408/71 zwar grundsätzlich nur einen Anspruch auf holländisches Kindergeld. Nach holländischem Recht erlischt der Kindergeld-Anspruch allerdings mit Vollendung des 18. Lebensjahrs. Bei Erreichen dieser Altersgrenze entfällt daher die durch Art. 13 VO (EG) 1408/71 geregelte Konkurrenzsituation und können deutsche Grenzgänger deutsches Kindergeld beanspruchen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er wohnt in Deutschland und arbeitet in Holland. Für seine 1984 und 1988 geborenen Kinder zahlte die zuständige holländische Behörde dem Kläger Kindergeld nach holländischem Recht. Der Kläger erhielt außerdem von der beklagten deutschen Familienkasse ein Differenzkindergeld, das die unterschiedliche Höhe der holländischen und deutschen Leistungen ausglich.

Nachdem die Kinder des Kläger das 18. Lebensjahr vollendet hatten, stellte die holländische Behörde die Kindergeld-Zahlungen ein, weil nach holländischem Recht der Kindergeld-Anspruch mit Erreichen dieser Altersgrenze erlischt. Daraufhin beantragte der Kläger bei der Beklagten die Weiterzahlung des Kindergelds. Dies lehnte die Beklagte ab, weil nach Art. 13 VO EG 1408/71 ausschließlich holländisches Recht anwendbar sei.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt. Die Beklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt (BFH-Az.: III R 12/08).


Die Gründe:
Der Kläger hat nach Erlöschen des Anspruchs auf holländisches Kindergeld einen Anspruch auf deutsches Kindergeld.


Bei Grenzgängern, die in einem Mitgliedstaat wohnen und in einem anderen arbeiten, beurteilt sich der Anspruch auf Familienleistungen wie das Kindergeld nach Art. 13 Abs.2a VO (EWG) 1408/71 zwar nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats und damit hier nach holländischem Recht. Das gilt aber nur, wenn ein Konkurrenzkonflikt besteht, dem Grunde nach also ein Leistungsanspruch nach beiden Rechtsordnungen besteht, was im Streitfall mit Erreichen der holländischen Altersgrenze für das Kindergeld nicht mehr der Fall war.


Dieses Auslegungsergebnis folgt aus dem Sinn und Zweck von Art. 13 Abs.2a VO (EWG) 1408/71. Mit dieser Regelung soll nach einer Entscheidung des BVerfG vom 08.06.2004 (Az.: 2 BvL 5/00) eine Doppel- oder Meistbegünstigung verhindert werden. Es soll sichergestellt werden, dass kindbezogene vergleichbare Leistungen nur einmal gewährt werden. Die diesem Konflikt zugrunde liegende Konkurrenzsituation zwischen unterschiedlichen Sozialleistungen entfällt, wenn nur noch nach einer Rechtsordnung ein Leistungsanspruch besteht.


So liegt der Fall hier. Der Kläger erhält im Beschäftigungsland Holland kein Kindergeld mehr. Es besteht deshalb keine Gefahr der Doppelbegünstigung, wenn er nach Erreichen der Altersgrenze deutsches Kindergeld bezieht. Auch Gründe der Praktikabilität des Verwaltungsvollzugs gebieten keinen Ausschluss des Klägers von deutschen Kindergeld-Leistungen. Spätestens mit dem Erlass der Finanzverwaltung vom 12.02.2002 (- IV C 3 – S – 2225a – 7/02 -) ist bekannt geworden, dass nach holländischem Recht der Kindergeld-Anspruch mit Vollendung des 18. Lebensjahrs erlischt.


Linkhinweise:





Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 21.05.2008; Quelle: Niedersächsisches FG online


(Meldung vom 2008-05-21)