Steuerrechtsurteile

Schweizer "Briefkasten-Firmen" konnten bis 2004 einen Anspruch auf Abkommensentlastungen haben



Die Regelung im deutschen Einkommensteuerrecht, wonach ausländische "Briefkasten-Firmen" keine abkommensrechtlichen Steuerentlastungen beanspruchen können, findet auf Schweizer Firmen erst seit der Neuregelung des DBA Schweiz 1971/1992 mit Wirkung zum 01.01.2004 Anwendung. Zuvor ging Art. 23 Art. DBA-Schweiz 1971/2002 als speziellere Vorschrift zur Vermeidung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von abkommensrechtlichen Entlastungen den deutschen Vorschriften vor.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine im Oktober 2000 durch einen 1949 errichteten liechtensteinischen Trust gegründete und in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts. Sie hatte ihren Sitz in den Streitjahren 2001 und 2002 in Räumlichkeiten einer Treuhand-AG. Ihre beiden Verwaltungsräte waren parallel für zahlreiche weitere Gesellschaften tätig.

Seit Dezember 2002 hält die Klägerin über 70 Prozent der Stammaktien der in Deutschland ansässigen A-AG. Sie beantragte für die in den Streitjahren von der A-AG bezogenen Dividenden die teilweise Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuern gemäß dem DBA-Schweiz 1971/2002. Das beklagte Bundesamt für Finanzen (jetzt: Bundeszentralamt für Steuern, BZSt) lehnte die Anträge ab. Dies begründete es damit, dass es sich bei der Klägerin um eine „Briefkasten-Firma“ handele, die nach § 50d Abs. 1a EStG 1997 a.F. beziehungsweise § 50d Abs. 3 EStG 1997 n.F. keine Abkommensentlastungen nach § 50d Abs.1 S.2 EStG 1997 beanspruchen könne.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.


Die Gründe:
Die Klägerin hat gemäß § 50d Abs.1 S.2 EStG 1997 im beantragten Umfang einen Anspruch auf Erstattung der hinsichtlich der von A-AG bezogenen Dividenden einbehaltenen Kapitalertragsteuern. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Klägerin möglicherweise um eine „Briefkasten-Firma“ handelt. Bei derartigen Firmen ist zwar nach § 50d Abs. 1a EStG 1997 a.F. beziehungsweise § 50d Abs. 3 EStG 1997 n.F. ein Anspruch auf Abkommensentlastungen ausgeschlossen. Diese Vorschriften werden im Streitfall aber durch Art. 23 DBA-Schweiz 1971/1992 verdrängt.


Art. 23 DBA-Schweiz 1971/1992 enthält eine abschließende Regelung, unter welchen Voraussetzungen eine Inanspruchnahme von abkommensrechtlichen Entlastungen von in Deutschland erhobener Kapitalertragsteuer aufgrund missbräuchlicher Gestaltungen ausgeschlossen ist. Diese Regelung geht als spezielle Vorschrift sowohl § 50d Abs. 1a EStG 1997 a.F. beziehungsweise § 50d Abs. 3 EStG 1997 n.F. als auch § 42 Abs.1 AO vor.


Für diese Auslegung spricht insbesondere, dass Art. 23 DBA-Schweiz mit Wirkung ab dem 01.01.2004 neu gefasst wurde und nunmehr ausdrücklich die Anwendung von vom Abkommen abweichende nationale Vorschriften zulässt. Dass diese Neuregelung keine Klarstellung der bisherigen Rechtslage, sondern eine Rechtsänderung darstellt, ergibt sich daraus, dass die Neufassung erst vom 01.01.2004 Wirkung entfaltet.


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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 09.05.2008; Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-05-09)