Steuerrechtsurteile

Ausländische "Briefkasten-Firmen" haben keinen Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer



Zwischengeschaltete ausländische "Briefkasten-Firmen" haben keinen Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer. Für eine "Briefkasten-Firma" ist charakteristisch, dass es sich um eine rein künstliche Gestaltung ohne Büroräume, Personal und Kommunikationsmittel handelt. Bei Kapitalanlagegesellschaften können derartige Substanzerfordernisse zwar verzichtbar sein. Die Anlage- und Finanzierungsentscheidungen müssen aber von der Zwischengesellschaft selbst getroffen werden.

Der Sachverhalt:
Bei der Klägerin handelt es sich um eine luxemburgische Aktiengesellschaft in Form einer „société de participations financières“ (SOPARFI). Ihre Gründung erfolgte als Mantelgründung durch ein ebenfalls in Luxemburg ansässiges Treuhandunternehmen auf Veranlassung einer in der Schweiz ansässigen Person. Hauptgesellschafterin der Klägerin war eine auf den Britischen Jungferninseln ansässige Firma in der Rechtsform einer Ltd.

"Eigentlicher" Gesellschafter und auch Verwaltungsratsmitglied der Klägerin war ein Gesellschafter des luxemburgischen Treuhandunternehmens, unter dessen Anschrift die Klägerin auch firmierte. Die Klägerin verfügte in den Streitjahren 1994 bis 1996 und 1998 in Luxemburg weder über eigene Büroräume noch über eigenes Personal. Sämtliche Geschäfte wurden auf Basis mündlicher Abreden durchgeführt.

Die Klägerin hielt Anteile an Kapitalgesellschaften in mehreren Ländern. Eine ihrer deutschen Tochtergesellschaften schüttete in den Jahren 1994 bis 1996 an die Klägerin Dividenden in Höhe von 13,6 Millionen DM aus. Die Klägerin beantragte, ihr nach Maßgabe der Mutter/Tochter-Richtlinie der EG die auf diesen Dividenden lastende Kapitalertragsteuer zu erstatten. Das beklagte Bundesamt für Finanzen (jetzt: Bundeszentralamt für Steuern, BZSt) lehnte den Antrag ab, weil es sich bei der Klägerin um eine „Briefkasten-Firma“ handele.


Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.


Die Gründe:
Es kann noch nicht abschließen entschieden werden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer hat.


Der Steuererstattungsanspruch scheidet gemäß § 50d Abs.1a EStG 1990/1994 (jetzt: § 50d Abs.3 EStG) aus, wenn an der Klägerin Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielt hätten, und für die Zwischenschaltung der ausländischen Klägerin wirtschaftliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet. Dies ist der Fall, wenn es sich bei der Klägerin lediglich um eine zwischengeschaltete ausländische „Briefkasten-Firma“ handelt.


Für das Vorliegen einer „Briefkasten-Firma“ spricht, dass die Klägerin in Luxemburg weder über Büroräume oder Personal noch über Kommunikationsmittel verfügte. Zwar benötigen Kapitalanlage- und Finanzierungsgesellschaften nicht zwingend eine besondere sächliche, räumliche und personelle Ausstattung. Erforderlich ist aber, dass die Anlage- und Finanzierungsentscheidungen von der Zwischengesellschaft selbst getroffen werden und nicht von deren Muttergesellschaften oder „Hintermännern“.


Im Streitfall ist es durchaus denkbar, dass die nur mündlich übermittelten konzernstrategischen Entscheidungen von der Muttergesellschaft der Klägerin getroffen worden sind. Daneben ist es auch möglich, dass die Letztentscheidungen der in der Schweiz ansässigen Person oblagen, auf dessen Veranlassung die Klägerin gegründet worden, und dass es sich hierbei um den „eigentlich“ wirtschaftlich berechtigten „Hintermann“ handelte. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, damit es hierzu weitere Feststellungen treffen kann.


Der Hintergrund:
Aus der Mutter/Tochter-Richtlinie ergeben sich für verbundene Unternehmen bestimmte Steuerentlastungen, die aber nur in einem EG-Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaften zugute kommen. Um auch dann in den Vorteil dieser Steuerentlastungen zu gelangen, wenn sie einer Gesellschaft mangels Ansässigkeit in der EU eigentlich nicht zustehen, entspricht es einer weit verbreiteten Praxis, in den Mitgliedstaaten Briefkasten-Firmen zu gründen und zwischenzuschalten („Treaty shopping“). Dies führt unter den Voraussetzungen von § 42 AO und § 50d Abs.3 EStG zum Ausschluss der Steuerentlastung.


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.

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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 23.04.2008; Quelle: BFH PM Nr.45 vom 23.04.2008


(Meldung vom 2008-04-23)