Steuerrechtsurteile

Regelung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen ist verfassungswidrig - Gesetzgeber muss Höchstbeträge heraufsetzen



Die Regelung des Sonderausgabenabzugs von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung ist verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss die Beiträge zwar nicht in vollem Umfang zum Sonderausgabenabzug zulassen, aber zumindest den existenznotwendigen Aufwand des Steuerpflichten berücksichtigen. Dies ist bei den aktuellen gesetzlichen Höchstbeträge nicht der Fall. Der Gesetzgeber muss spätestens bis zum 01.01.2010 eine Neuregelung treffen.

Der Sachverhalt:
Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind ein freiberuflich tätiger Rechtsanwalt und seine nicht berufstätige Ehefrau, die Eltern von sechs Kindern sind. Alle Familienmitglieder sind privat kranken- und pflegeversichert. ln ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 machten die Kläger Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 66.000 DM geltend, wovon rund 36.000 DM auf Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge entfielen. Das Finanzamt ließ unter Hinweis auf § 10 Abs.3 EStG insgesamt nur einen Betrag von 19.830 DM zum Sonderausgabenabzug zu.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machten die Kläger geltend, dass die Beschränkung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs.3 EStG verfassungswidrig sei. Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Kläger setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob die Regelung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen in § 10 Abs.1 Nr.2a) in Verbindung mit § 10 Abs.3 EStG in der für das Streitjahr 1997 geltenden Fassung verfassungsgemäß ist.

Das BVerfG entschied, dass diese Vorschriften und die nachfolgenden Gesetzesfassungen verfassungswidrig sind und der Gesetzgeber bis zum 01.01.2010 den Sonderausgabenabzug neu regeln muss. Bis dahin bleiben die Vorschriften allerdings weiter anwendbar.


Die Gründe:
Die Regelung in § 10 Abs.1 Nr.2a) in Verbindung mit § 10 Abs.3 EStG ist verfassungswidrig. Sie verletzt das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, da nicht sichergestellt ist, dass zumindest die Aufwendungen für eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung als Sonderausgaben abziehbar sind.


Nach dem Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums muss der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Gewährleistet wird ein Schutz des Lebensstandards auf Sozialhilfeniveau. Daher können auch Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen Teil des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums sein, da die Sozialhilfe auch die Kranken- und Pflegeversorgung umfasst.


Der Steuergesetzgeber muss die Beiträge zu normalen privaten Krankenversicherungen allerdings nicht zu 100 Prozent zum Sonderausgabenabzug zulassen. Vielmehr müssen nur die zu Erlangung eines sozialhilfegleichen Standards erforderlichen Aufwendungen berücksichtigt werden. Daher können die Beiträge insoweit vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen werden, als das Versorgungsniveau der privaten Krankenversicherungen über das der gesetzlichen Krankenversicherungen hinausgeht. Für Beiträge zur privaten Pflegeversicherung gilt dasselbe.


Bei der Neuregelung des Sonderausgabenabzugs muss der Gesetzgeber klarstellen, welcher Anteil des Höchstbetrags ausschließlich oder vorrangig auf existenznotwendige Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge entfällt.


Der Hintergrund:
Das BVerfG sieht in der derzeitigen Regelung des Sonderausgabenabzugs allerdings keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Krankenversicherten. Es hat darauf hingewiesen, dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht allein der Absicherung des Krankheitsrisikos dienten, sondern auch dem sozialen Ausgleich und der Umverteilung. Dies rechtfertige es, dass der Sonderausgabenabzug von Beiträgen zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen hinter den entsprechenden steuerfreien Beträgen des Arbeitgebers für Arbeitnehmer zurückbleibe.


Linkhinweise:





Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 14.03.2008; Quelle: BVerfG PM Nr.32 vom 14.03.2008


(Meldung vom 2008-03-14)