Steuerrechtsurteile

Vorlage an den EuGH: Unter welchen Voraussetzungen sind juristische Person des öffentlichen Rechts unternehmerisch tätig?



Der BFH hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten eine steuerfreie Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als nichtunternehmerisch behandeln dürfen. Konkret will der BFH wissen, ob hierfür nur auf größere Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten von konkurrierenden Privatunternehmen abzustellen ist, oder ob der Wettbewerbsvorbehalt auch die Einrichtungen des öffentlichen Rechts schützt.

Der Sachverhalt:
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Grundstücks-Vermietungsgesellschaft. Sie vermietete ein von ihr errichtetes Verwaltungsgebäude mit Tiefgarage an eine IHK. Diese nutzte die Büroflächen zu 73 Prozent und die Tiefgaragenplätze zu 18 Prozent selbst und vermietete die übrigen Büroflächen und Tiefgaragenplätze an Dritte.

Die Klägerin behandelte die Umsätze aus der Vermietung des Gebäudes und der Tiefgarage als steuerpflichtig, um den Vorsteuerabzug aus der Errichtung des Gebäudes zu erlangen. Das Finanzamt folgte dem zunächst, nahm aber im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der Klägerin eine Vorsteuerkürzung vor. Das begründete es damit, dass die Klägerin nicht wirksam nach § 9 UStG auf die Umsatzsteuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze an die IHK verzichtet habe, soweit die IHK ihrerseits Büroflächen und Tiefgaragenplätze weitervermietet habe. Denn insoweit sei die IHK nicht unternehmerisch tätig geworden.

Die gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid gerichtete Klage hatte vor dem FG Erfolg. Dabei stellte das FG fest, dass es im Streitfall zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der IHK komme, wenn diese als Nichtunternehmerin behandelt werde. Daher scheide eine Behandlung der Vermietungstätigkeit der IHK als nichtunternehmerisch gemäß Art.4 Abs.5 der Richtlinie 77/388/EWG aus.


Auf die Revision des Finanzamts setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art.4 Abs.5 der Mehrwertsteuer-Richtlinie zur Vorabentscheidung vor.


Die Gründe:
Im Streitfall kommt es entscheidend auf die Auslegung von Art.4 Abs.5 der Richtlinie 77/388/EWG an. Hiernach können die Mitgliedstaaten eine steuerfreie Tätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als nichtunternehmerisch behandeln, sofern dies nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.


Es ist fraglich, ob Art.4 Abs.5 der Richtlinie 77/388/EWG auf Fälle der vorliegenden Art anwendbar ist. Dies hängt davon ab, ob die Mitgliedstaaten die Tätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts nur aufgrund einer dahingehenden ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage als nichtunternehmerisch „behandeln“ dürfen (erste Vorlagefrage).


Außerdem ist unklar, ob die Behandlung als nichtunternehmerisch nur ausgeschlossen ist, wenn sie zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten von konkurrierenden Privatunternehmern führt, oder ob hierfür auch Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der juristischen Person des öffentlichen Rechts ausreichen (zweite Vorlagefrage). Zwar bezweckt Art.4 Abs.5 der Richtlinie 77/388/EWG in erster Linie den Schutz der Privatwirtschaft vor unbesteuerten Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Dies schließt aber nicht aus, dass die Bestimmung auch zugunsten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts anwendbar ist.


Die Vorlagefragen im Volltext:


„1. Können die Mitgliedstaaten Tätigkeiten von Staaten, Ländern, Gemeinden oder sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreit sind, nur dadurch gemäß Art.4 Abs.5 Unterabs.4 der Richtlinie 77/388/EWG als Tätigkeiten „behandeln“, die diesen Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, dass die Mitgliedstaaten eine dahingehende ausdrückliche gesetzliche Regelung treffen?


„2. Können "größere Wettbewerbsverzerrungen" im Sinn von Art.4 Abs.5 Unterabs.4, Unterabs.2 der Richtlinie 77/388/EWG nur dann vorliegen, wenn die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten konkurrierender privater Steuerpflichtiger führen würde, oder auch dann, wenn die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Lasten führen würde?“


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.

  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.



Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 12.03.2008; Quelle: BFH PM Nr.27 vom 12.03.2008


(Meldung vom 2008-03-12)