Steuerrechtsurteile

Rechtsprechungsänderung: Verlustabzug ist nicht mehr vererblich



Der Große Senat hat die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zur Vererblichkeit des Verlustvortrags aufgegeben. Erben können demnach vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrag nicht mehr zur Minderung ihrer eigenen Einkommensteuer geltend machen. Dies gilt aus Vertrauensschutzgründen allerdings erst für Erbfälle, die nach Veröffentlichung dieses Beschlusses eintreten.

Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Landwirt. Sein 1983 verstorbener Vater hatte ihn testamentarisch zum alleinigen Hoferben bestimmt. Der Erbteil des Klägers am hoffreien Vermögen betrug zehn Prozent. In den Jahren 1980 bis 1982 hatte der Vater des Klägers Verluste in Höhe von rund 107.000 DM erlitten, von denen er nach § 10d EStG im Veranlagungszeitraum 1983 lediglich rund 16.400 DM abziehen konnte.

Der Kläger beantragte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1983 bis 1986, die bei seinem Vater nicht ausgeglichenen Verluste bei ihm abzuziehen. Für die Jahre 1983 bis 1985 veranlagte das Finanzamt den Kläger erklärungsgemäß. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1986 lehnte es dagegen die Berücksichtigung eines weiteren Verlustvortrags ab, weil der Kläger nur zehn Prozent der vom Erblasser nicht verbrauchten Verluste habe abziehen dürfen.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers legte der BFH dem Großen Senat die Rechtsfrage zur Beantwortung vor, ob ein Erbe den vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrag bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen kann. Der Große Senat verneinte dies und gab damit eine rund 45 Jahre währende anderslautende höchstrichterliche Rechtsprechung und Verwaltungspraxis auf.


Die Gründe:
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH kann der Übergang des vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrags nach § 10d EStG auf den Erben weder auf zivilrechtliche noch auf steuerrechtliche Vorschriften und Prinzipien gestützt werden.


Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer und erfasst als solche die im Einkommen zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Person. Sie wird daher vom Grundsatz der Individualbesteuerung und vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit beherrscht. Die persönliche Steuerpflicht beschränkt sich demnach auf die Lebenszeit einer Person und endet mit ihrem Tod. Mit diesen Grundsätzen ist es unvereinbar, die beim Erblasser nicht verbrauchten Verlustvorträge auf den Erben zu übertragen.


Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Verluste eines übertragenden Unternehmens zeitweise von dem übernehmenden Unternehmen abgezogen werden konnten. Die Rechtsgedanken des Umwandlungssteuerrechts können auf die einkommensteuerrechtliche Beurteilung von Erbfällen nicht übertragen werden. Denn anders als die Umwandlung, die wesentliche Elemente eines entgeltlichen Tauschgeschäfts enthält, stellt der Erbfall einen unentgeltlichen Vorgang dar.


Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist diese neue, für die Steuerpflichtigen ungünstigere Rechtsprechung allerdings erst mit Wirkung für die Zukunft anwendbar. Sie gilt konkret erst für solche Erbfälle, die nach Veröffentlichung dieses Beschlusses eintreten.


Linkhinweis:



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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 12.03.2008; Quelle: BFH PM Nr.29 vom 12.03.2008


(Meldung vom 2008-03-12)