Steuerrechtsurteile

Behindertes Kind bezieht ALG II: Eltern können trotzdem Anspruch auf Kindergeld haben



Eltern haben gemäß § 32 Abs.4 S.1 EStG für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und wegen einer Behinderung außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, einen Anspruch auf Kindergeld. Voraussetzung für die Gewährung von Kindergeld ist insoweit, dass es dem Kind objektiv unmöglich ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Aus dem Umstand, dass das behinderte Kind Arbeitslosengeld II bezieht, kann dabei nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbsfähig ist.

Der Sachverhalt:
Der Kläger erhielt für seine volljährige Tochter T. Kindergeld. T. ist an Multipler Sklerose erkrankt und hat einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkmale G und aG.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung auf und forderte bereits gezahltes Kindergeld mit der Begründung zurück, dass T. eine Weiterbildungsmaßnahme vorzeitig beendet habe. Da sie außerdem Arbeitslosengeld II beziehe, sei sie in der Lage, mehr als drei Stunden pro Tag zu arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Demgegenüber trug der Kläger vor, dass T. ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten könne. Sie habe die Weiterbildung nach einem neuerlichen Krankheitsschub abbrechen müssen. Sie sei halbseitig gelähmt und werde ständig ärztlich betreut.


Die gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid gerichtete Klage hatte Erfolg.


Die Gründe:
Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid verletzt den Kläger in seinen Rechten.


Eltern haben gemäß § 32 Abs.4 S.1 EStG für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und wegen einer Behinderung außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, einen Anspruch auf Kindergeld. Voraussetzung für die Gewährung von Kindergeld ist insoweit, dass es dem Kind unmöglich ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn in dem Behindertenausweis das Merkmal „H“ (hilflos) eingetragen ist oder der Grad der Behinderung 50 oder mehr beträgt und besondere Umstände hinzutreten, auf Grund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen ist.


Vorliegend hat T. einen Behindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkmalen G und aG. Sie ist ferner seit einer erneuten Krankheitsschub halbseitig gelähmt und deswegen nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Selbst wenn man -  wie die Familienkasse - davon ausgeht, dass eine Leistungsfähigkeit von drei Stunden vorliegt, kann T. aus dieser täglichen Arbeitszeit nicht genügend Einkünfte erzielen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Aus der Tatsache, dass sie Arbeitslosengeld II bezieht, kann somit nicht geschlossen werden, dass sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbsfähig ist.




Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.02.2008, Quelle: FG Rheinland-Pfalz PM vom 13.02.2008


(Meldung vom 2008-02-13)