Steuerrechtsurteile

Eltern können für ein verheiratetes Kind bei Nichtzahlung von Trennungsunterhalt einen Kindergeld-Anspruch haben



Eltern können für ein verheiratetes, von dem Ehepartner getrennt lebendes Kind, das sich noch in der Ausbildung befindet, einen Anspruch auf Kindergeld haben. Das gilt auch, wenn dem Kind Trennungsunterhalt zusteht, der Ehepartner aber nicht zahlt. Denn für die Berechnung des Kindergeld-Grenzbetrags kommt es nur auf Einkünfte und Bezüge an, die dem Kind tatsächlich zufließen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger bezog von Januar bis September 2003 für seine damals 21-jährige Tochter, die sich noch in der Ausbildung befand, Kindergeld. Die Tochter war in diesem Zeitraum verheiratet, lebte aber von ihrem Ehemann getrennt. Nachdem die Familienkasse (Agentur für Arbeit) hiervon erfahren hatte, hob sie die Kindergeldfestsetzung auf und verlangte das im streitigen Zeitraum ausgezahlte Kindergeld zurück. Dies begründete sie damit, dass der Tochter gegen ihren Ehemann Trennungsunterhalt in einer Höhe zustehe, der den maßgeblichen Kindergeld-Grenzbetrag überschreite.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, dass seine Tochter seit der Trennung von ihrem Mann keinerlei Unterhaltsleistungen mehr erhalten habe. Er habe sie deshalb in seinen Haushalt aufnehmen und versorgen müssen. Seine Tochter habe zwar vor dem AG ein Urteil erstritten, in dem ihr Trennungsunterhalt zugesprochen worden sei. Der Ehemann weigere sich aber, zu zahlen.

Das FG gab der Klage statt. Gegen dieses Urteil ist beim BFH unter dem Aktenzeichen III R 8/08 die Revision anhängig.


Die Gründe:
Die Familienkasse hat die Kindergeldfestsetzung für den streitigen Zeitraum zu Unrecht aufgehoben, da die Tochter des Klägers keine Einkünfte oder Bezüge oberhalb des Kindergeld-Grenzbetrags hatte. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt gegen ihren Ehemann ist insoweit nicht zu berücksichtigen, da sie tatsächlich keine Unterhaltszahlungen erhalten und auch nicht auf den Unterhalt verzichtet hat.


Für volljährige verheiratete Kinder, die sich noch in der Berufsausbildung befinden, können Eltern nur dann einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes zuzüglich der Unterhaltsleistungen des Ehepartners nicht das steuerliche Existenzminimum decken. Ein solcher „Mangelfall“ im Sinn der BFH-Rechtsprechung liegt auch vor, wenn das Kind von seinem Ehepartner getrennt lebt und es den Unterhaltsanspruch gegen seinen Partner trotz aller ihm zumutbaren Bemühungen nicht durchsetzen kann.


Für dieses Auslegungsergebnis sprechen der Gesetzeswortlaut von § 32 Abs.4 S.2 EStG, die Gesetzgebungsgeschichte und die gesetzliche Systematik. Die Vorschrift ist 1996 dahingehend geändert worden, dass es für die Berechnung des Grenzbetrags nicht darauf ankommt, welche Einkünfte dem Kind „zustehen“, sondern welche Einkünfte und Bezüge das Kind „hat“. Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 32 Abs.4 S.2 EStG ergibt sich, dass insoweit das Zuflussprinzip gelten soll. Folglich kommt es nicht auf die materielle Rechtslage an, sondern darauf, ob das Kind über das Geld oder die geldwerten Leistungen tatsächlich verfügen kann.


Linkhinweis:
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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 22.01.2008; Quelle: Hessisches FG PM vom 22.01.2008


(Meldung vom 2008-01-22)